Geschrieben am 23. Februar 2011 von für Bücher, Litmag

Helmut Krausser: die letzten schönen tage

Quälende Chronik einer scheiternden Liebe

– Mit „die letzten schönen Tage“ serviert Helmut Krausser seinen Lesern ein seltsames literarisches Mahl – es ist weder feurig-würzig, noch raffiniert-opulent, geschweige denn süß und verlockend. Es ist eher zäh und trocken und schwer zu schlucken – und gleicht damit dem  Leben und der Liebe in diesem Roman. Von Karsten Herrmann

Im Zentrum des Buches steht Serge, ein zwanghafter, grundsätzlich pessimistischer und tendenziell hämisch-menschenverachtender Werbetexter in den Dreißigern, der an einen von Houellebecqs Antihelden erinnert. In dem von einem Jahrhundertwinter heimgesuchten eiskalten Berlin soll er, der „Verlierer auf Abruf“, eine Kampagne für halterlose Strümpfe von Passionata entwickeln und gerät dabei in eine tiefe Krise: „In meinem Kopf schwappt vieles hin und her, ein Mordsdurcheinander, und ich weiß nicht mehr, welche Schlüsse zu ziehen sind.“ Gemeinsam mit seiner Freundin Kati, die gerade eine Affäre mit Serges Arbeitskollegen David beendet hat, nimmt Serge eine Auszeit auf Malta. Sie kommen bei einem befreundeten Pärchen unter, das sein Geld bei einem Pokerserver im Internet und in den Spielcasinos der Insel verdient und eines Tages spurlos verschwindet.

In tagebuchartigen Sequenzen führen Serge und Kati den Leser in die Untiefen und Verwerfungen ihrer Beziehung, stellen die Liebe radikal auf den Prüfstand. In einem Wechselbad der Gefühle stoßen kurze euphorische Momente des Glücks, der Harmonie und Annäherung mit Verachtung, Verdächtigung, Verleugnung und Lüge zusammen. Serge, den ein düsteres Geheimnis aus der Kindheit quält und dessen sezierender Verstand sich selbst auffrisst, beginnt ein zerstörerisches Spiel und treibt Kati schließlich in die Arme von David zurück: „das ganze Leben ist nur ein feingeknüpftes Netz aus Lügen, zu viel Wahrheit schafft nur Chaos.“

Krümel im Hals

Foto: © Hagen Schnauss

„die letzten schönen Tage“ ist im Kern die quälende und stilistisch schlichte Chronik einer scheiternden Liebe, eines scheiternden Lebens. In komplexer Komposition umhüllt Krausser diesen Kern mit weiteren locker verbundenen Erzählsträngen, in denen der Kater Johnson unter anderem eine beeindruckende „Lektion in Stil und Vergänglichkeit“ abliefert.

Am Ende des Romans steht jedoch ein großes Fragezeichen und dem Leser bleiben lauter widerspenstige Krümel im Hals stecken. Sehnsüchtig denkt er da an grandiose Krausser-Festmahlzeiten zurück, an „Der große Bogarozy“ oder „UC“ – doch die fetten Jahre scheinen, wie sich schon an den Vorgängerromanen „Eros“ oder „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ abzeichnete, erst einmal vorbei zu sein.

Karsten Herrmann

Helmut Krausser: die letzten schönen tage. Köln: Dumont Verlag 2011. 225 Seiten. 19,90 Euro. Krausser auf Wikipedi.org.