Geschrieben am 17. Oktober 2012 von für Bücher, Litmag

Glückwunsch: aspekte-Literaturpreis für Teresa Präauer („Für den Herrscher aus Übersee“)

Mit leichtem Ein-Frau-Fluggerät zum Literaturpreis

– Die Österreicherin Teresa Präauer schreibt ihr Romandebüt und wird dafür prompt mit einem anerkannten Preis gewürdigt. Keine Frage, der Preis macht auch anerkannt bekannt und hat ebenso einige anerkannte Bekanntheiten (wie Herta Müller, Felicitas Hoppe, Andreas Maier, Stephan Thome) hervorgebracht. Der aspekte-Literaturpreis wird seit 1979 vom ZDF an Debütantinnen und Debütanten im Fach deutschsprachige Prosa verliehen (und ist mit 10.000 Euro dotiert). Ein verdienstvoller Blick auf die ersten zarten Anfänge literarischen Schaffens junger Schreibender. Die Gewinnerin wurde aus sechs Nominierten (u.a. Vea Kaiser und Andreas Stichmann) von einer fünfköpfigen Jury aus Literaturkritikern ausgewählt. Senta Wagner gratuliert.

Teresa Präauer ist 1979 in Linz geboren und lebt in Wien. Im August dieses Jahres veröffentlichte sie beim Göttinger Wallstein Verlag ihr erstes Buch mit dem Titel „Für den Herrscher aus Übersee“: freches Cover (von der Autorin selbst gestaltet), geheimnisvoller Titel, eine Autorin ohne Flugscheu. Das dem Roman vorangestellte Motto sagt, was Sache ist: „Ich bin mit dem Schreiben nicht nachgekommen, da hab ich mich ins Fluggerät gesetzt und bin losgeflogen.“ Fluggerät, nicht etwa Flugzeug, Hubschrauber, Airbus oder Propellermaschine – Fluggerät, das die Assoziation an Schreibgerät weckt. Eine fröhliche Rollentauscherei von Schreiben und Fliegen, denn um diese beiden Fähigkeiten geht es ganz stark in Präauers versponnener Geschichte.

Ein kleines Geschwisterpaar (Bruder und Schwester) lebt einen Sommer lang bei seinen Großeltern im „Haus auf einem Hügel“. Die Schwester erzählt. Die weiteren Bewohner sind allerhand Vögel, die fliegen und nicht fliegen können, und Fliegen. Neben den kindlichen Protagonisten gibt es die Fliegerin, eine Art fliegender Vogelmutter mit einer Gänseschar, die Japanerin und die abwesenden Eltern, die auf Weltreise sind (wahrscheinlich fliegend). Es herrscht also von Anfang an viel Flugbetrieb in dem luftig gesetzten Buch – im Himmel und auf der Erde und dazwischen. Die einzelnen, auf vielen Ebenen miteinander verknüpften Erzählstränge werden mühelos miteinander verbunden. Nicht selten fliegen dabei Gedanken und einzelne Begriffe hin und her.

Die Kinder gehen ihren Traum vom Fliegen ganz konkret an und konstruieren sich simple Fliegerkostüme zum Überziehen. „Wir rufen, wie fliegen, während wir fallen, bis die Großeltern uns hören.“ Ebenso setzt man sich nicht zu Tisch, man landet. Der Großvater schaufelt mit großer Geste seine Erinnerungen ans Fliegen heran, als er Pilot war im Krieg (das Wort spricht er nicht aus) in Übersee. Dort verliebte er sich nach einem Absturz Hals über Kopf in die Japanerin, eine Bruchpilotin, die aussieht „wie aus dem Bilderbuch geschnitten“. Es ist eine sprachlose Liebe, weil die beiden sich nicht verstehen, für die der Großvater aber eine umso bilderreichere Sprache findet. Als ob sie unter einem permanenten Blütenregen stünde. Dabei paart sich vorzüglich der Gegensatz von haarsträubender und fantasievoller Schilderung. Denn überhaupt ist er ein Mann der großen Worte und Taten, ein Prahlhans, über seine „Welterklärungsthesen“ belustigen sich nicht nur die Kinder, sondern auch die Leser.

Das Fliegen, sagt Teresa Präauer, sei für die Literatur sehr produktiv. Durch die Variation von Positionen, der Blick von oben und nach unten, erweiterten sich die Möglichkeiten die Welt zu interpretieren. Von oben ist alles winzig und klein, es steige aber auch das Risiko, abzustürzen. Das habe für sie schelmenhaftes Potenzial. Ihr Blick auf die Figuren ist daher ein ebenso neugieriger wie amüsierter. Der Großvater sagt, dass man vom Boden „nicht den Überblick hat und die Größe und das Abenteuer … Man ist hier unten einfach zu verstrickt ins Hier und Jetzt …“

Während die Kinder allmählich Lesen und Schreiben und Fliegen lernen, entwachsen sie ihrer Kindheit, der sie vielleicht schon längst entwachsen sind, und entwickeln ihre Sicht der Welt. Bald können sie die täglichen Postkarten ihrer Eltern lesen. Es zeigt sich, dass motiviert von der Ansichtskarte Teresa Präauer in Bildern denkt und schreibt. In diesem Debüt haben ihre klare und genaue Sprache und ihre vielen lustigen Ideen dazu eine, um im Bild zu bleiben, himmlische Geschichte erdichtet. Das Rätsel, wer die Fliegerin ist, wäre als Plädoyer für einen Rest Geheimnis in der Literatur zu sehen.

Mit dem Gewinn des aspekte-Literaturpreises 2012 sind wir absolut einverstanden.

Senta Wagner

Teresa Präauer: Für den Herrscher aus Übersee. Göttingen: Wallstein Verlag 2012. 137 Seiten. Ein Videoporträt finden Sie hier.

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