Faszinierendes Irrlichtern
Mit seinem neuen Roman fordert der Spanier Francisco Casavella seine Leser heraus und warnt sie in einem kafkaesken Prolog auch gleich vor: „Wir geraten in Labyrinthe ohne Plan, Spiralen ohne Zentrum.“
In einer Rückblende lässt Casavella seinen dreizehnjährigen Protagonisten Fernando dann vom „wichtigsten Tag“ seines Lebens berichten, dem „Tag des Watussi“. Anfang der siebziger Jahre steht Fernando auf der Schwelle zwischen unschuldigen Kinderspielen und ersten Grenz- und Gesetzesüberschreitungen mit dem hinkenden Zigeunerjungen Pepito. Ihr Abenteuerspielplatz ist die schäbige Peripherie Barcelonas mit dem Hafen, dem alten Olympiastadion und verrufenen Barackensiedlungen. Zufällig werden sie dabei Ohrenzeuge beim Mord an Julia, der geliebten Tochter des gefürchteten Bandenchefs Celso, und geraten in eine verwegene Jagd nach dem mutmaßlichen Täter, dem mythenumwobenen Watussi: „Eine brachiale Initiation. Eine niemals sich schließende, schwärende Wunde begleitet dich durch die Jahre auf dem Weg ins Nirgendwo, wie mich bei diesem Lauf durchs Hafenviertel, gelockt von Pepito und seinem Irrsinn.“
Das Rätsel bleibt bestehen
Rauschhaft-rhapsodisch hetzt Francisco Casavellas Prosa mit diversen Slang-Einschlägen dahin und führt uns auf Barcelonas Schattenseite, wo sich in Hafen-Lagerhallen, billigen Bars und sündigen Bordellen ein skurriles Personal aus der Halb- und Unterwelt tummelt. Über diverse assoziative Schlenker und Umwege sowie die „Verknotung loser Zufälle“ umkreist Casavella langsam das dunkle Geheimnis um den Watussi, ohne es aber je gänzlich zu lüften: Bis zum Schluss bleibt „Der Tag des Watussi“ ein ebenso gewagtes wie faszinierendes Irrlichtern aus Traum, Fantasie, Mythos und Wirklichkeit.
Karsten Herrmann
Francisco Casavella: Der Tag des Watussi. Verwegene Spiele. Aus dem Spanischen von Stefanie Gerhold. Roman. Kiepenheuer und Witsch Verlag. 2004. Geb. 338 S. 19,90 Euro. ISBN 3-462-03366-2