Geschrieben am 16. Mai 2007 von für Bücher, Litmag

Folco Terzani (Hg.): Tiziano Terzani. Das Ende ist mein Anfang

Und das war`s dann

Die Lebenserinnerungen von Tiziano Terzani. Von Carl Wilhelm Macke

Ein ganz in weiß gekleideter älterer Herr mit ebenso weißen langen Haaren, die übergehen in einen grauen Bart. Mit gekreuzten Beinen auf einer Matraze sitzend und liebevoll spielend mit einem kleinen Kind. Dazu dann ein vieldeutiger, irgendwie buddhistisch klingender Titel „Das Ende ist mein Anfang“. So ganz unrecht wird jene unbekannte Frau wohl nicht haben, die mich vor der Lektüre dieses letzten Buches von Tiziano Terzani per e-mail warnte. Ein schlimmer Guru sei er und dazu auch noch ein übler Macho. Warum also sollte man sich die Lektüre dieses Buches zumuten, wenn einem jede Sympathie für einen indischen Guru und für den ganzen esoterischen Spuk fehlt? Vielleicht ist es ganz einfach die Neugierde auf ein Buch, das in Italien monatelang ganz weit oben in den Bestseller-Listen stand. Im Internet tummelt sich inzwischen eine große Verehrer-Gemeinde von Terzani, die in ihm einen Weltbeglückungsguru sieht, mit dessen Lehren man sich möglichst beim Schein der Kerzen beschäftigen soll. Liest man das Buch aber mit der geschilderten Distanz zu Räucherstäbchen und Meditationsmusik, dann wird einem Tiziano Terzani sogar langsam sympathisch. Das Meditieren sei ihm in seinem Leben immer schwer gefallen, weil er immer „so unruhig auf seinem Hintern“ gesessen habe, bekennt er einmal mit typischer toskanischer Lakonie. Und daß einem in seiner Jugend so verdammt gut aussehenden Beau die „feschen Mädchen“ ( so die leider sehr altbackene deutsche Übersetzung für ‚belle ragazze’ ) nachgelaufen sind, ist doch noch kein Beispiel für einen aufdringlichen Macho…

Terzani besaß viele Seiten, vielleicht auch viele Leben und entsprechend konnte er immer beneidenswert aus dem Vollen einer farbigen, widersprüchlichen Biographie schöpfen. In den Gesprächen, die er mit seinem Sohn Folco kurz vor seinem Tod geführt hat, lernen wir einen Menschen kennen, der gerne gelebt hat, der grenzenlos neugierig auf Menschen gewesen ist und der beneidenswert gelassen sich von dieser seiner geliebten Welt verabschiedet hat. Auch wenn Terzani in den letzten Jahren seine Nähe zur indischen Kultur etwas aufdringlich inszeniert hat, so blieb er bis zum Schluß immer seinen urbanen toskanischen Wurzeln treu. Die Kapitel über seine Kindheit und Jugend im Florenz der vierziger und frühen fünfziger Jahre gehören zu den lebendigsten Passagen in diesem an Lebensfreude überquellendem Buch. Auch er hat in den sechziger Jahren des Aufbruchs die in seiner Generation verbreiteten Illusionen einer Weltrevolution geteilt. Früh jedoch haben ihn seine Erfahrungen als Korrespondent des deutschen Magazins „SPIEGEL“ desillusioniert, aber in seiner Neugierde auf die fremden Länder nicht resignieren lassen. „Das Andere hat mich immer interessiert. Nur wo hätte dieses Interesse in Florenz Nahrung finden sollen? Es war ja keine intellektuelle Neugierde, im Gegenteil, die Intellektuellen empfand ich als Last, sie schienen mir die Welt nur noch komplizierter zu machen.“ Vielleicht sind manche seiner, besonders in den Schlußkapiteln präsentierten Weltbilder tatsächlich auch naiv, jedenfalls fern eine genauen Abwägens realpolitischer Machtverhältnisse. Und daß er eine Lösung der uns heute oft so rat- und hilflos machender Weltkonflikte einzig in einer inneren Revolution der Menschen sieht – geschenkt! Anderes ist wichtiger und bleibender. Niemals hat man während der Lektüre dieser Gespräche das ungute Gefühl, hier will ein Guru seine Leser und Bewunderer ‚missionieren’. Es ist die große Heiterkeit und Leichtigkeit der Gespräche zwischen Vater und Sohn, die einem die Lektüre des Bandes so angenehm zeitlos machen. Und neidisch ist man manchmal schon auf diesen Menschen, der so gerne gelebt hat und es auch schafft, andere Menschen an diesem prallen Leben lesend teilnehmen zu lassen. „Am liebsten würde ich lachend sterben. Und sollte das sehr schwer oder gar unmöglich sein, lachen wir eben nicht ganz so lange – und das war’s dann.“ Kann man sich ein Lebensende schöner vorstellen?

Carl Wilhelm Macke

Folco Terzani (Hg.): Tiziano Terzani. Das Ende ist mein Anfang. Ein Vater, ein Sohn und die große Reise des Lebens. Aus dem Italienischen von Christiane Rhein, DVA, Muenchen, 2007. 415 Seiten.