Geschrieben am 21. März 2012 von für Bücher, Litmag

Erwin Koch: Was das Leben mit der Liebe macht

Von der traurigen, grotesken, monströsen, alltäglichen Liebe

So viel ist über die Liebe geschrieben worden, dass es schwer ist, dem reichen Schatz etwas noch Ungekanntes hinzuzufügen. Es sei gleich vornweg gesagt: Erwin Koch gelingt das. Von Carola Ebeling

„Was das Leben mit der Liebe macht“ ist eine Sammlung manchmal verstörender, immer berührender Liebesgeschichten. Geschrieben von einem, der für seine Reportagekunst bereits zwei Mal mit dem Egon Erwin Kisch Preis ausgezeichnet wurde. Und so ist auch die Erzählform eine besondere: Es sind wahre Geschichten, Koch hat mit den Menschen gesprochen, und aus den langen Gesprächen hat er destilliert, was ihm wesentlich schien, um den Kern, die Essenz der jeweiligen Beziehungen zu fassen.

Manchmal bleibt der Schweizer Autor in seiner Heimat, andere Paare findet er in der Ferne: In der Sowjetunion, in Guatemala oder Albanien. Oft sind es traurige Geschichten, die Liebe ist stark, aber das Leben ist unbarmherzig.

Traurige Lieben und groteske Liebeshelden

Etwa jene Aussichtslosigkeit, der sich Angela und Andrei in der Sowjetrepublik Moldau entgegenstellen wollen: Sehr jung lernen sich beide kennen. Um der Armut und Perspektivlosigkeit zu entkommen, „verkauft“ Andrei eine seiner Nieren; flieht Angela unter entwürdigenden Umständen nach Mailand, um dort Geld zu verdienen. Diese existenzielle Not, das Verhalten, das sie den Menschen aufzwingt, sind fremd – dennoch gelingt Koch ein Nahebringen.  „Verliert der Nussbaum schon sein Laub?“ fragt Angela aus der erzwungenen Ferne – und den Leser schneidet die Schmerzlichkeit der gegenseitigen Verlassenheit, unter der auch die zwei bei Andrei gebliebenen Kinder leiden. Alles wird sehr, sehr traurig zu Ende gehen.

Grotesk ist die Geschichte von Rodrigo und Marjorie aus Guatemala. Sehr romantisch, sehr heftig die Liebesgefühle zweier, die nicht frei füreinander sind. Die dann doch zusammen finden und durch die allgegenwärtige Gewalt in diesem Land auseinander gerissen werden. Der Anwalt Rodrigo Rosenberg inszeniert nach dem Mord an seiner Geliebten den an sich selbst –und ruft in einem vorab gemachten Video, das nach seinem Tod in Umlauf gebracht wird, das Volk zum Aufstand gegen das korrupte Regime auf. Denn dieses habe ihn umbringen lassen, weil er zu viel über dessen Machenschaften wisse. Massendemonstrationen sind die Folge. Große Oper, tragischer Held? Doch eher die überwältigende Trauer eines Mannes, die sich mit Momenten des Absurden verbindet.

Verstörend ist die Erzählung über Melanie und Leo. Anfang, Mitte zwanzig sind sie: „An schönen Tagen setzen sie sich auf Leos Motorrad (…) er vorne, sie hinten, Melanie denkt, wie kann man nur so glücklich sein?“ Heirat – drei Tage später die Diagnose, dass seine Schwächeleien auf einen Gehirntumor zurückzuführen sind, Operation nicht möglich. Seine Persönlichkeit verändert sich, der Tumor ist es, der ihn monströse Dinge tun lässt. Melanie verlässt ihn – und wird am Ende doch zum ihm stehen. Warum und was es ist, das sie dazu veranlasst, versucht Koch nicht zu erklären, er beschreibt, was geschieht.

Ein Meister der Verknappung

In dieser wie auch allen anderen Geschichten verknappt er, erweist sich als ein Meister der Auslassungen, enthält sich jeder Wertung und verzichtet auf  Interpretationen. Fast protokollarisch wirken manche Passagen, oft gibt er einzelne Sätze seiner Gesprächspartner in direkter Rede wieder oder zitiert aus Briefen.

Es ist die Art, wie Koch Eigenes und die Äußerungen derer, die beteiligt sind, montiert, in der das Originäre seines Schreibens sich offenbart: Eine Mischung aus Reportage und literarischer Erzählung; eine Sachlichkeit, ja fast Distanz, die den lebendigen, manchmal zu schmerzlichen Kern aufscheinen, spüren lässt – ohne ihn auszustellen.

Carola Ebeling

Erwin Koch: Was das Leben mit der Liebe macht. Wahre Geschichten. Corso Verlag, Hamburg 2011. 132 Seiten. 19,90 Euro.

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