Geschrieben am 16. Mai 2005 von für Bücher, Litmag

Enrique Vila-Matas: Paris hat kein Ende

Paris ohne Ende

Die Schriftsteller-Lehrjahre wie das große Vorbild Ernest Hemingway in Paris verbringen und hier zum Durchbruch gelangen – das ist Traum und Ziel des jungen spanischen Protagonisten in Enrique Vila-Matas neuen Roman „Paris hat kein Ende“.

Nach einem abgebrochenen Jurastudium mietet sich Vila-Matas Anti-Held im Jahre 1974 für 100 Francs bei Marguerite Dumas in einer Dachmansarde ein und findet Kontakt zur schillernden Boheme. Mit Sartre-Pfeife und schwarzem Rollkragenpullover treibt er sich mit der Attitüde des von Weltschmerz gezeichneten poete maudit“ in den Pariser Cafés und Kneipen herum. Völlig überfordert ist er von einem Zehnpunkteplan, den ihm die grande dame Marguerite Dumas für die Konzeption seines Debut-Romans in die Hand drückt. Dieser soll seine Leser töten, schreitet jedoch nur kläglich voran und lebt vom Plagiat. Paris erweist sich für den jungen Nachwuchsschriftsteller nicht als Ein Fest fürs Leben“ wie Hemingway es so berauschend beschreibt und er muss sich eingestehen, sich hier sehr arm und sehr unglücklich“ zu fühlen.

Paris – kein Fest fürs Leben

Der 1948 in Barcelona geborene Enrique Vila-Matas erzählt seine Geschichte im Rückblick des mittlerweile doch noch zu Ruhm und Geld gekommenen Schriftstellers – und autobiographische Bezüge sind hier mehr als naheliegend. Er bedient sich der Form eines direkt an das Publikum gerichteten Vortrages, der von einer philosophisch-augenzwinkernden Ironie durchzogen ist: Ich kenne keine größere Wahrheit als die, unsere eigene Identität zu ironisieren.“
Eigentlicher Mittelpunkt des Romans ist allerdings weder der junge Schriftsteller-Lehrling noch das reale Paris der 70er Jahre. Es ist vielmehr jener Mythos von Paris, jene zweite (Text-) Wirklichkeit, an der Legionen von modernen Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen mitgewirkt haben – von Baudelaire über Walter Benjamin, Proust und Hemingway bis zu Sartre oder Roland Barthes. In fein komponierter postmoderner Intertextualität setzt Vila-Matas ein ebenso kurzweiliges wie inspirierendes Paris-Kaleidoskop aus Zitaten, Nacherzählungen, Interpretationen, Anekdoten und literarischer Fiktion zusammen. In diesem Sinne hat Paris kein Ende“ und erweist sich als ein offenes Möglichkeitsfeld.

Karsten Herrmann

Enrique Vila-Matas: Paris hat kein Ende. Aus dem Spanischen von Petra Strien. Nagel & Kimche 2005. Geb.  285 S. 19,90 Euro. ISBN 3-312-00357-1