Geschrieben am 11. Juli 2005 von für Bücher

David Peace: 1974.

Extra Hard Boiled

Nach dem Debüt-Roman des jungen Briten David Peace fühlt sich der Leser, als wäre er ganz fürchterlich unter die Räder gekommen – so wie der Protagonist Edward Dunford, für den am Ende keine Hoffnung bleibt.

Der 13. Dezember 1974, der Tag, an dem er auch seinen Vater zu Grabe trägt, ist zugleich der erste Arbeitstag von Edward Dunford als Gerichtsreporter bei der Evening Post in Yorkshire. Ein Tag zuvor ist die 10jährige Clare auf dem Nachhauseweg von der Schule verschwunden. Das Greenhorn Dunford, das sich gegen seinen großen Konkurrenten Jack Whitehead durchsetzen muss, wittert seine Chance und knüpft Verbindungen zu früheren Fällen vermisster Mädchen: „Meine Story: drei tote Mädchen: Jeanette, Susan und Clare.“

David Peace jagt seinen Debüt-Roman, der den ersten Teil des „Red Riding Quartetts“, einer Chronik Englands in den Siebzigern und Achtzigern bildet, in einem hechelnden, extrem verkürzten Telegrammstil dahin. Der Sound gleicht dem hektischen Klackern der Schreibmaschinen in dem von Zigarettenqualm, Whiskyduft und Druckerschwärze durchzogenen Redaktionsbüro der Evening Post. Peace verzichtet auf Erklärungen und Psychologie, vertraut einem nackten, düsteren Naturalismus, der durch seine ungeheure Wucht und Hoffnungslosigkeit mitreißt.

David Peace‘ Protagonist verstrickt sich immer weiter in einem Netz aus Intrigen, Verdächtigungen und Verbrechen, das die Mächtigen aus Politik, Wirtschaft und Polizei spinnen. Als ihm die brisanten Recherchen seines bei einem mysteriösen Autounfall gekommenen Kollegen in die Hände fallen, gerät er selbst ins Fadenkreuz. Er wird bedroht, verprügelt, entlassen und unter Mordverdacht verhaftet. „1974“ endet schließlich in einem Exzess der Gewalt, der Rache und der Selbstjustiz, der keinen kalt lässt.

Mit seinem Debüt hat David Peace den Kriminalroman um das Prädikat „Extra hard boiled“ erweitert und mit schaudernder Spannung darf man nun auf die nächsten Bände seines Quartetts warten.

Karsten Herrmann

David Peace: 1974. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Liebeskind, 2005. Gebunden, 384 S., 22 Euro. ISBN 393589029X.