Geschrieben am 6. April 2007 von für Bücher, Litmag

Cormac McCarthy: die straße

Packendes Endzeitdrama

In seinem neuen Roman führt der große amerikanische Romancier Cormac McCarthy seine Leser auf eine Reise an das Ende aller Nächte: unerbittlich und unentrinnbar – und gewann damit zurecht den diesjährigen Pulitzerpreis.

Ein Mann wandert mit seinem Sohn durch ein zerstörtes Amerika, durch eine versunkene Zivilisation. Mit einem quietschenden Einkaufswagen, der ihr ganzes Hab und Gut enthält, sind sie auf dem Weg aus dem eisigen Norden über steile Bergpässe an die Küste im Süden. Das Land liegt verbrannt, stumm und gottverlassen vor ihnen, es ist kahl gefressen, geplündert und verheert: „Nächte, deren Dunkel, alle Dunkelheit überstieg, und jeder Tag grauer als der vorangegangene.“

In diesem dunklen wüsten Land leuchtet nur die raue Liebe zwischen Vater und Sohn, „jeder die ganze Welt des anderen.“ Sie führen einen verzweifelten Überlebenskampf gegen Kälte, Hunger und marodierende Banden, die den letzten Rest Menschlichkeit schon lange verloren haben. Vater und Sohn, die namenlos bleiben und dem Leser doch ganz nahe kommen, versuchen eben diese Menschlichkeit gegen alle äußeren Umstände und Anfeindungen zu bewahren:
„Weil wir die Guten sind.
Ja.
Und wir bewahren das Feuer.“

Cormac McCarthy hat mit „die straße“ ein packendes Endzeitdrama vorgelegt, in dem die Welt und die verbliebene Menschheit nach einer nicht näher benannten Kriegs- oder Naturkatastrophe auf ihren kleinsten Nenner reduziert ist und „die Hinfälligkeit von allem und jedem endlich zutage getreten“ ist.

Unerbittlich zieht McCarthy die Leser mit seiner traumwandlerisch sicheren und lakonisch reduzierten Prosa ganz tief hinein in diese schwärzeste aller Welten. Als letzter Hoffnungsschimmer glimmt nur noch die Liebe zwischen Vater und Sohn und droht dabei sekündlich zu verlöschen. „die straße“ ist ein Martyrium von biblischem Ausmaße, eine grandiose Katharsis, die bis an die Grenze des Erträglichen führt und lange nachwirkt.

Karsten Herrmann

Cormac McCarthy: die straße. Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. Rowohlt 2007. 253 Seiten. 19,90 Euro.