Bangkok Noir
– Unser Mann in Bangkok, Christopher G. Moore, schreibt nicht nur brillante Kriminalromane aus seiner Heimatstadt Bangkok, berichtet nicht nur regelmäßig u.a. für CrimeMag von den irrsinnigen Realitäten Asiens, er hat jetzt auch eine schöne Anthologie herausgegeben, die zeigt, dass in und über Bangkok, abseits der literarischen Trampelpfade oder Herrn Willemsens Kurzbesuchen (nix gegen die Fotos von Ralf Tooten), faszinierende Text entstanden sind und entstehen. Eine Empfehlung von Thomas Wörtche.
Anthologien gibt es zurzeit wie Sand am Meer. Meistens sind sie überflüssig. Und wenn sie irgendwo anders auf der Welt erscheinen, werden sie lieber mal nicht übersetzt. Man kann dann meistens davon ausgehen, dass sie nicht überflüssig sind.
So wie „Bangkok Noir“ , herausgegeben von Christopher G. Moore, mit Texten u.a. von John Burdett, Colin Cotterill und Stephen Leather, darunter auch zwei thailändische Autoren – Vasit Dejkunjorn und Tew Bunnag –, alleine schon deshalb bemerkenswert, weil vollautochthone thailändische Kriminalliteratur noch in den Kinderschuhen steckt. Wie ja überhaupt Kriminalliteratur überraschend und lebhaft eher dort ist, wo die Verblödelung des Konzepts noch nicht allzu stark eingesetzt hat. Also zum Beispiel in einer Metropole wie Bangkok, die ganz selbstverständlich ihre „dunklen Seiten“ hat, wenn man bloß wüsste, was die hellen von den dunklen unterscheidet. Die Stories, die Moore hier versammelt hat, versuchen gar nicht, diese Frage zu beantworten.

John Burdett, General Vasit Dejkunjorn, Tew Bunnag, Christopher G. Moore, Collin Piprell and Dean Barrett. Colin Cotterill sent along a 'clone' who was exposed early on in the proceedings.(www.bangkoknoir.info)
Natürlich geht es um Korruption („The Sword“ von Dejkunjorn), um billiges Lohnkillen („Hot enough to kill“ von Colin Piprell), um das allgemein übliche Morden (grandios: „Daylight“ von Alex Kerr), um die oft unschön geregelten Beziehungen zwischen den Geschlechtern („The Mistress wants her Freedom“ von Bunnag) und den speziellen Beziehungen zwischen weißen Männern und Thai-Frauen („Hansum Man“ von Timothy Hallinan) alles noir-typisch. Und gleichzeitig bietet „Bangkok Noir“ eine nochmals gewendete Perspektive: „Death of a Legend“ von Dean Barrett, ein Text, der eine elegante Kurve nimmt, die man bei einer Profi-Killer-Geschichte eher nicht vermuten würde. Genauso wie John Burdetts „Gone East“ mit einer genre-übergreifenden Volte überrascht, die aus dem Zusammenknallen alter thailändischer Traditionen mit der globalisierten Welt und dem Hightech-Milieu der Big City entsteht.
Dieser Clash, so Moore in seinem klugen Vorwort-Essay, macht natürlich den Reiz von Bangkok-Noir aus. „Dolphins Inc.“ von Moore selbst spielt fröhlich mit Hightech, mit Virtualität und sehr grusligen Realitäten, die nicht nur Bangkok-typisch sind, sondern den ganzen asiatischen Raum angehen.
Ich möchte nicht die ganze Anthologie einzeln durchnehmen, allerdings den üblichen Ausreißer nach unten nicht unerwähnt lassen, weil er typisch ist: „Inspector Zhang and the Dead Thai Gangster“ von Stephen Leather ist eines dieser unerträglichen Whodunnit-Spiele, wo jemand (der Thai Gangster) auf anscheinend unmögliche Art ums Leben gekommen ist, und der Detektiv (Inspector Zhang, der nichts als eine leblose Kopie des Feng-Shui-Meisters Wong aus den komischen und sehr intelligent-ironisch die Ost/West-Karten spielenden Büchern von Nury Vittachi ist) einfach per Denkarbeit (stimmt natürlich nicht, er holt sich Herrschaftswissen über den Leser, weil die Konstellation vom Autor genauso gesetzt ist) einen „kniffeligen Fall“ löst. Der Gangster könnte auch Müller heißen und der Detektiv Paul und das Ganze nicht in einer Boeing 777-200 der Singapore Airline, sondern im Linienbus nach Saarlouis stattfinden.
Dass „Krimi“ eine Form sei und es „Gesetze des Genres“ gebe, dieser Irrglaube ist immerhin in Bangkok nur spärlich vertreten. Denn alle anderen Text sind freestyle, nutzen die politischen, sozialen und psychologischen Verhältnisse des Schauplatzes, um Geschichten durchzuspielen, die – wollten sie nicht ideologisch eine „heile“ Exoten-Welt darstellen – zwangsläufig noir werden müssen.
Deswegen unser Tipp an die Verlagswelt – entgegen den Gepflogenheiten des business – für lau: dringend übersetzen lassen.
Thomas Wörtche
Christopher G. Moore (Hg): Bangkok Noir. Bangkok: Heaven Lake Press 2011. 289 Seiten. 7,13 Euro. ebook-Version. www.bangkoknoir.info.
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