Geschrieben am 2. April 2011 von für Bücher, Crimemag

Charles Bukowski: Pulp. Ausgeträumt

Don´t try

– Achim Stanislawski hat den Blues. Schließlich hat er den letzten Roman von Charles Bukowski gelesen ….

„Pulp. Ausgeträumt“ ist der Titel des letzten Buches, das Charles Bukowski vor seinem Tod geschrieben hat. Es ist ein Krimi, wie ihn nur Bukowski hat schreiben können. Eben in der lakonischen Bukowski-Manier: ohne Plot, ohne kniffelige Rätsel, ohne Inspektor im Trenchcoat.

Bukowskis Detektiv Nick Belane ist der apathischste Säufer in ganz Los Angeles, der sich zwar auf Pferderennbahnen und in Kneipen bestens auskennt, von Krimialistik aber nur so viel versteht, dass man einen Revolver entweder hinten am Gürtelbund trägt oder ihn in der Schublade vom Schreibtisch verstecken kann, wo sonst die Wodkaflaschen lagern.

Er ist der runtergekommenste private eye in der Stadt der Engel. Nick Belane ist pulp, die Story ist pulp,  ganz Bubbelgum-Amerika, ganz Old Hollywood sind pulp.

Getreu seinem Lebensmotto „Don’t try/Bemühe dich nicht“, ermittelt Bukowskis Nick Belane nicht, ja, er bemüht sich nicht einmal, einen richtigen Auftrag zu bekommen; die Scheiße passiert ihm einfach. Und dementsprechend sind dann auch die Fälle, die er zu lösen hat – abgedrehter Mist von der feinsten Sorte. Neben einem eifersüchtigen Ehemann, der sein Trophäenweib verdächtigt, ihn mit Außerirdischen zu betrügen (was natürlich auch der Wahrheit entspricht), ist eine seiner Auftraggeberinnen eine Sexbombe namens Lady Death, von der es heißt: „Mein Blick wanderte an ihren Beinen hoch. Für Beine hatte ich schon immer eine Schwäche. Es war das Erste, was ich gesehen hatte, als ich geboren wurde. Aber damals versuchte ich, rauszukommen. Seither arbeitete ich in die andere Richtung. Und hatte ein elendes Pech dabei.“ (S. 9)

Das ist sie, die Poetik Bukowskis: Das geile Heulen eines alten Straßenköters, für das ihn seine Leser so lieben. Es ist sein „Pessimismus mit optimistischem Drall“ (S. 143), der diesen versoffenen Sisyphos zu einer Ikone jener Männlichkeit macht, die ein ewig auslaufendes Restleben lang in der Gosse hängt und dem Mond seine Geschichten von Sex, Suff und Zerfall entgegengrölt. Ein Lebensgefühl, das Tom Waits einst mit den wunderbaren Worten besungen hat: „Let me fall out of the window with confetti in my hair …“  Auch das, wir wollen es freimütig gestehen, ist ein lieber, alter Männertraum: Die Freiheit zur Selbstzerstörung, die Sehnsucht nach der Brutalität des Lebens und die Seligkeit einer Kneipenschlägerei. Charles Bukowski hat ihn gelebt, diesen albernen, tieftraurigen Traum, und ist damit so etwas wie die männliche Carrie Bradshaw. Nur dass Bukwoski in seiner Version von „Sex and the City“ nie den pulp vergisst, auf dem diese wilden Blüten gedeihen. Den pulp, den er atmet und gleichzeitig verflucht.

Bukowskis erster und letzter Kriminalroman ist ein Hoch auf den räudigen Köter in uns, ein Hoch auf das wüste Leben und die unvermeidlichen Schmerzen, die es uns einbrockt.

Deshalb ist „Pulp“ genau das richtige Trash-Buch, um es in einer schummrigen Kneipe bei einem halben Dutzend Bieren zu lesen und dabei den Blues des Weißen Mannes zu kriegen. Eben Old Hollywood, Mann (sic!).

Achim Stanislawski

Charles Bukowski: Pulp. Ausgeträumt (Pulp, 1994). Roman. Deutsch von Carl Weissner. Köln: Kiepenheuer & Witsch  2011. 192 Seiten. 7,95 Euro.
Verlagsinformationen zum Buch

http://www.youtube.com/watch?v=IFnDvMNHeos&feature=related

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