Geschrieben am 19. März 2014 von für Bücher, Litmag

Brigitte Kronauer: Gewäsch und Gewimmel

Brigitte_Kronauer_Gewäsch und GewimmelVertrautheit durch Verfremdung

– Was ist die Welt? Eine Ansammlung von kleinen und großen Geschichten, ungeordnet, verwirrend, teilweise unverständlich. Brigitte Kronauer versucht in ihrem neuen großen Roman nicht weniger als ein Abbild genau dieser unserer Welt zu schaffen. Von Tina Manske

„Gewäsch und Gewimmel“ ist genau das: ein Wimmelbild voller Menschen, die ihr Gewäsch unter die Leute zu bringen, die ihr Leben in den Griff zu bekommen versuchen. Alle tummeln sich um die Hauptfigur (wenn man in diesem Gewimmel von einer Hauptfigur sprechen kann) namens Elsa Gundlach, eine Krankentherapeutin, die sich die verschiedenen Geschichten ihrer Patienten anhört und in deren Praxis diese Menschen dann auch zusammenkommen. Da ist die Aussteigerin Eva, die ihren Eltern E-Mails aus Internetcafés in Tadschikistan schreibt; da sind die schon etwas betagteren Ruth und Herta, die sich gegenseitig beim Spülen die neuesten Gerüchte erzählen; da ist die Studentin Katja, die ihren Nachbarn zu verführen versucht, erst aus Interesse, dann aus purem Selbstzweck; da ist der berühmte Schriftsteller Pratz, der süchtig nach Ruhm ist; usw. usf. Diese Figuren sind alles keine Heiligen, aber genau deswegen kommen sie uns so nah, und durch die Verfremdung, mit der Kronauer ihre fast lyrischen Miniaturen aufbaut, werden sie uns umso vertrauter.

Brigitte Kronauer ist bekannt für ihren Witz, und trotzdem die Figuren immer wieder mit Düsternissen zu kämpfen haben (tatsächlichen und eingebildeten), ist „Gewäsch und Gewimmel“ doch auch immer wieder zum Lachen. Beispiel?

„Der Schriftsteller Pratz lacht der Gesellschaft ins Gesicht, das schon, das war immer Ehrensache. Aber ein gewisses Gift in seinem Herzen wird eher gefährlicher als harmloser. Es ist die Angst, in der öffentlichen Beachtung überrundet zu werden, er kämpft dagegen mittels eleganter Schals und politischer Appelle, schmeichelt einflussreichen Damen und sorgt für kleinere Skandale.“

Im Mittelteil geht Frau Wäns, ebenfalls Patientin von Elsa, auf Wanderung und lässt uns dabei an ihren inneren Monologen teilhaben, die um ihre große Liebe Hans Scheffer kreisen, eine Liebe, für die es von Anfang an zu spät war. Nichts Menschliche ist diesem Buch fremd, aber Kronauer tut uns den Gefallen, uns viel zu präsentieren, aber nichts zu richten.

„’Wissen Sie, Herr Scheffer, denn nicht, daß die schönen Anblicke aufbewahrt werden? Irgendwo sind sie aufgehoben und vergehen nie. Wäre es anders, gäbe es keinen Trost. Man müßte sofort vor Gram sterben, und das Nichts käme über uns und hätte für immer und ewig gesiegt. Es zählt nur, daß es das Schöne wenigstens einmal, und sei es ein Jahr, sei es eine Minute, Herr Hans, gegeben hat.’“

Zweifelt jemand daran, dass dieses „Irgendwo“ die Literatur ist? Und vielleicht kommt man der Welt tatsächlich nur so auf die Spur wie die Autorin in diesem Buch, in Fragmenten, mit notwendigen Auslassungen, ohne den Anspruch, alles verstehen und deuten zu wollen. Brigitte Kronauer beweist mit „Gewäsch und Gewimmel“ wieder einmal ihre Alleinstellung im deutschen „Literaturbetrieb“.

Tina Manske

Brigitte Kronauer: Gewäsch und Gewimmel. Klett Cotta, 2013. 612 S., geb. m. Schutzumschlag. 26,95 Euro.

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