Geschrieben am 1. Mai 2010 von für Bücher, Crimemag

Brian McGilloway: Eine Leiche macht noch keinen Sommer / Borderlands

Startschwierigkeiten

Eine Leiche macht noch keinen Sommer ist sicher ein guter Tipp für das Ranking der albernsten deutschen Buchtitel. Nein, kein Buchhändler, den wir kennen, fährt auf so einen Unfug ab. Aber wir sind gerecht und geben dem Autor eine Chance. Joachim Feldmann hat gleich zwei Bücher von ihm gelesen.

Declan „Decko“ O’Kane ist so einer. Am Anfang standen Einbrüche und kleine Betrügereien. Später, da hatte er bereits die erste Gefängnisstrafe abgesessen, verlegte er sich aufs Drogengeschäft. Dann war er plötzlich für einige Monate verschwunden. Als er wieder auftauchte, hatte er genug Geld, um fünf Gebrauchtwagen zu erwerben, die er mit Gewinn wieder abstoßen konnte. Und „heute, sieben Jahre später, standen auf Deckos Gelände über dreihundert Autos, und er beschäftigte sechs Verkäufer“. Doch so viel Geld er auch scheffelt: Für die Honoratioren im irischen County Donegal bleibt er „ein kleiner Drogenhändler, der zu Geld gekommen war“.

Dabei unterscheidet sich Decko nur durch sein Auftreten, „eine seltsame Mischung von Protz und Ungeschliffenheit“, von jenen Zeitgenossen, denen außer ihrem Reichtum auch noch der Respekt der sogenannten „besseren Gesellschaft“ vergönnt ist. Denn ein großes Vermögen – diesen Eindruck vermittelt zumindest die Lektüre der ersten beiden Kriminalromane des nordirischen Autors Brian McGilloway – lässt sich nur schwer auf völlig legalem Wege erwerben. Und irgendwann fordert das Verbrechen, dessen Ertrag den Grundstock zu dem späteren Wohlstand legte, seinen blutigen Tribut.

Autor Brian McGilloway

Kein Charisma

Bei McGilloway sind dies jeweils zunächst mysteriös erscheinende Mordserien, deren Aufklärung Detective Inspector Benedict Devlin von der Polizei in Lifford, dem Verwaltungssitz Donegals, die üblichen Schwierigkeiten bereitet. Ärger mit Kollegen und Vorgesetzten, Probleme mit der Ehefrau und eine brisante Ermittlungssituation sorgen dafür, dass dem „sympathischen“ (Klappentext) Kriminalisten manch schlaflose Nacht beschieden ist.

Man kennt das. Kaum ein zeitgenössischer Spannungsroman traut sich, mit einem fiesen Ermittler aufzuwarten, der mit einem gesunden Schlaf gesegnet ist. Was Devlin allerdings von seinen Kollegen unterscheidet, ist die vollkommene Abwesenheit von Charisma. Kein skurriler Charakterzug, kein ausgeprägtes Laster, vom Rauchen einmal abgesehen, und keine merkwürdigen Angewohnheiten lenken von der Polizeiarbeit ab. Das könnte ganz erfrischend sein, hätte sich McGilloway nicht entschieden, diesen farblosen Helden selbst zum Erzähler seiner Abenteuer zu machen. Denn die Ich-Perspektive scheint mir, neben der nicht immer sehr eleganten Übersetzung, für den manchmal arg bürokratisch anmutenden Stil der Berichterstattung verantwortlich zu sein.

Dabei bietet allein der Handlungsraum der Romane ein großartiges Potenzial. Donegal, die nördlichste Grafschaft der Republik Irland, grenzt an das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland. Devlins Fälle ereignen sich im Grenzgebiet und erfordern die Zusammenarbeit mit einer Polizeitruppe, die noch bis vor einigen Jahren bei irischen Nationalisten als Herrschaftsinstrument der britischen Besatzer verschrien war. Zwar herrscht in der vormaligen „Unruheprovinz“ inzwischen ein, wenn auch wackliger, Frieden, doch nicht alle der paramilitärischen Kämpfer auf beiden Seiten haben ihre Waffen endgültig abgelegt, manche haben sich auch dem lukrativeren gewöhnlichen Verbrechen zugewandt. Stoff genug also für gute Kriminalromane, die vielleicht mit Band 3 und 4 der Devlin-Reihe bereits vorliegen.

McGilloways Debüt Borderlands jedenfalls und auch der Nachfolger Gallows Lane – den albernen deutschen Titel können Sie unten in der bibliografischen Angabe nachlesen – lassen noch so manchen Wunsch offen.

Foachim Feldmann

Brian McGilloway: Eine Leiche macht noch keinen Sommer (Gallows Lane, 2008). Roman.
Aus dem Englischen von Alice Jakubeit.
Köln: Dumont 2010. 318 Seiten. 19,95 Euro.

Brian McGilloway: Borderlands (Borderlands, 2007). Roman.
Aus dem Englischen von Alice Jakubeit.
Köln: Dumont 2010. 286 Seiten. 8,95 Euro.

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