Geschrieben am 7. März 2015 von für Bücher, Crimemag

Brendan Duffy: Augen des Waldes

Brendan Duffy_Augen des WaldesUramerikanisches Schauerepos und Metafiction

Ein einsames Haus und ein Schriftsteller, der blockiert ist. Kennen wir irgendwoher. Der Wald, according to Ambrose Bierce, ist auch kein kuscheliger Ort. Aber dann kommt alles ein bisschen anders. Joachim Feldmann über Brendan Duffys Debütroman „Die Augen des Waldes“.

Eigentlich spricht alles dafür, New York zu verlassen und irgendwo weit weg von der Großstadt ein neues Leben zu beginnen. Zumal, der Immobilienkrise sei Dank, The Crofts, ein renovierungsbedürftiges Herrenhaus in idyllischer Berglandschaft, billig zu haben ist. Ehefrau Caroline hat gerade ihren hochdotierten Wallstreet-Job verloren, Sohn Charlie wird an seiner Schule aufs Schlimmste schikaniert und als erfolgreicher Thrillerautor kann Ben Tierney überall arbeiten. Auch für Charlies kleinen Bruder, allgemein Bub genannt, ist es sicherlich besser, abseits des Lärms der Metropole aufzuwachsen. Also werden die Ersparnisse in die Umgestaltung des Anwesens in eine Luxuspension gesteckt. Caroline, im Kochen und Backen gleichermaßen talentiert, träumt schon von all den Gästen, die sie in Zukunft bewirten wird, und stürzt sich in die Arbeit.

szenenbild-aus-shining-mit-jack-nicholson-und-shelley-duvall-foto-allstar-Das nimmt kein gutes Ende

Dass Romane, die so beginnen, gewöhnlich kein gutes Ende nehmen, ist bekannt. Überhaupt sollte man, wie schon Stephen King wusste, mit Schriftstellern, deren Arbeit an einem neuen Buch nicht vorangeht, keinesfalls in eine einsame Gegend ziehen. In diesem Fall allerdings scheint es umgekehrt zu sein. Seit Bubs Geburt leidet Caroline unter manisch-depressiven Schüben, die in der neuen Umgebung vermehrt auftreten. Andererseits ist es Ben, der mit dem ersten bösen Zeichen konfrontiert wird. Bei einem Spaziergang mit dem Hund stößt er auf die übel zugerichteten Überreste eines Rehs. Auch der fantasiebegabte Charlie erfährt bei seinen Streifzügen durch die Wälder rund ums Haus seltsame Dinge. Da ist ein Wesen, das ihn eindringlich davor warnt, länger in The Crofts zu bleiben. Seinen Eltern verschweigt der Achtjährige diese Begegnungen, fürchtet er sich doch vor einer Rückkehr in die Stadt mehr als vor den Gespenstern der Natur.

Wenig vertrauenerweckend, so zumindest der Eindruck des Lesers, verhalten sich auch die Einwohner des nahegelegenen Dorfes. Wie berechtigt dieses ungute Gefühl ist, stellt sich allerdings erst am Ende des zeitgenössischen Gruselromans „Augen des Waldes“, mit dem der New Yorker Verlagslektor Brendan Duffy sein literarisches Debüt gibt, heraus. Bis es soweit ist, muss so manche Familienkrise durchlitten werden. Während Ben das Haus und seine düstere Geschichte als neue Romanidee entdeckt, wächst Carolines Verzweiflung. Und die Tierkadaver häufen sich. Irgendwann ist auch der Hund der Tierneys verschwunden. Als schließlich Bub entführt wird, legt die Handlung, die sich bis dahin auf die gemächliche Steigerung subtilen Horrors beschränkt, beträchtlich an Geschwindigkeit zu. Der unausweichlich scheinende Showdown fällt allerdings ein wenig anders aus als erwartet.

Dass Brendan Duffy sein Buch auf einer metafiktionalen Ebene enden lässt, mag man als Bonbon für Freunde des literarischen Spiels goutieren. Oder, der letzte Absatz legt das nahe, als Plädoyer für traditionelle Familienwerte ernst nehmen. Wie auch immer: Wer seine Schockeffekte gut dosiert mag und gelegentliche Langatmigkeit nicht scheut, wird bei diesem uramerikanischen Schauerepos sicherlich auf seine Kosten kommen.

Joachim Feldmann

Brendan Duffy: Augen des Waldes (House of Echoes. 2015). Roman. Deutsch von Kirsten Riesselmann. Berlin: Suhrkamp 2015. 434 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Joachim Feldmann bei Am Erker.

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