Bloody Chops – heute angerichtet von Anne Kuhlmeyer (AK) über Elizabeth Peters: „Tod auf dem Tempelberg“, Stefan Linster (SL) über Max Bronski: „Der Tod bin ich“, und Thomas Wörtche (TW) über Uwe Killing: „Dreckige Spaghetti“.
Tiefschlaf
(AK) „Ein Amelia-Peabody-Krimi“ wird auf dem Einband erklärt, einer aus einer Serie von neun. Außerdem lobt die Rückseite lautt The Guardian: „Miss Marple mit feministischem Touch und einem Hauch Indiana Jones – einfach wunderbar!“
Man soll längst nicht alles glauben, was auf einem Buch drauf und um es herum geschrieben steht, aber in diesem Falle ist die Warnung ernst zu nehmen.
Der erste von fünf Versuchen, das Buch zu lesen, scheiterte auf Seite 26.
Im Tiefschlaf.
Wir erfahren von den familiären Umständen: Haus mit rummeliger Bibliothek, neugieriger Butler, Katzen, Adoptivtochter Nefret, Sohn Ramses, dessen Freund David, dessen Braut Lia, der Nichte des archäologisch tätigen Ehepaares Emerson. Alle graben oder gruben irgendwie in Ägypten, Palästina, in der Wüste des Osmanischen Reiches (der Roman spielt 1910) oder necken sich mit klugen Textstellen aus noch klügeren Büchern.
Tiefschlaf.
Prof. Emerson bekommt von der britischen Regierung den Auftrag, einem Amateur-Archäologen, der angeblich die Bundeslade sucht, doch ebenso gut ein deutscher Spion sein könnte, nach Jerusalem zu folgen, ihn zu überwachen. Aber ehe das mal so losgeht …
Tiefschlaf.
Kurzum: Es gibt einen Toten, der zunächst eher symptomatisch und von keinem größeren Interesse ist. Ramses wird auf höchst kultivierte Art entführt, dabei geht es irgendwie um Spionage. Die Emersons planen ihre Exkavation in Jerusalem, planen und planen, dazwischen Sightseeing, Shopping und kolonialistisches Gehabe der altruistisch motivierten Eheleute, bis zum Tee, oder zum Dinner. Oder was auch immer davon abhält, endlich eine vernünftige Handlung zu entwickeln.
Das geschieht alles sehr fröhlich anno 1910. Im Schmelztiegel Naher Osten unter sich zuspitzenden politischen und ökonomischen Bedingungen der konkurrierenden Kolonialmächte. Kurz vor dem 1. Weltkrieg. Is’ klar.
Stilistisch im unteren Mittelmaß und dramaturgisch wenig überzeugend stellt sich am Ende der Lektüre die Frage, wozu es dieses Buch gibt, von einer wirksamen Schlafinduktion abgesehen. Bleibt die vage Hoffnung, dass die anderen neun Teile der Serie mit diesem unvergleichbar sind.
Elizabeth Peters: Tod auf dem Tempelberg. Kriminalroman. Berlin: Ullstein 2012. Aus dem Amerikanischen: Beate Darius. 395 Seiten. 8,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
Verpuffter Urknall
(SL) Obwohl es in diesem Roman um nichts Geringeres als um die Entdeckung der „Weltformel“ geht, der Einheitlichen Feldtheorie, die sämtliche physikalischen Phänomene unter Einbeziehungen der vier – bislang definierten – Grundkräfte in einer Formel zusammengefasst, und es dem Autor auch gelingt, die grundlegenden Probleme der Elementarteilchenphysik und Quantenmechanik (Unschärfe, Veränderung des beobachteten Felds oder Objekts durch die Beobachtung selbst u. ä.) verständlich anzureißen …
Obwohl er intelligent konstruiert ist, zwei Ich-Erzähler neben einer auktorialen Ebene durch vier Zeitebenen (2006 – 1957/57 – 1965 – 2006) führen und die Fabel die Paranoia des Kalten Krieges heraufbeschwört …
Und obwohl über dieser Geschichte vorgeblich das abgewandelte, von Oppenheimer aufgegriffene Bhagavad Gita-Zitat „Der Tod bin ich, Erschütterer der Welten“ schwebt und sich in ihr unbekümmert mordende Geheimdienstagenten der drei damaligen Atommächte tummeln, die ihre Stellvertreterscharmützel noch bis in die jüngste Zeitebene austragen …
… sprang, um im Bild zu bleiben, der elementare Funke nicht so recht über, wurde meine von Verlagsankündigung und Klappentext geweckte Erwartung (es gehe hier um „eine Formel, die möglicherweise die gesamte Menschheit gefährdet“!) kaum erfüllt. Dafür bleiben die Protagonisten und ihre Geschicke meist einfach zu blass, die tatsächlich Brisanz der Arbeiten des Weltenerschütterers wie auch seine moralischen Konflikte etwas vage und die Auflösung leider enttäuschend konventionell, matt im Kontrast zum Gegenstand der Handlung.
Max Bronski: Der Tod bin ich. Roman. München: Antje Kunstmann 2013. 400 Seiten. 16,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
Amüsante Sadismen
(TW) Sie waren richtige kleine Mistdinger, die Italo-Western: gemein, sadistisch, für damalige Verhältnisse brutal, komisch, einfallsreich, billig und grandios, hin und wieder ganz großes Kino oder ganz großes B-Kino. Auf jeden Fall verwischten sie Grenzen und Kategorien, boten Sinnoptionen galore und nahmen sie sofort zurück, trampelten darauf herum und machten sich hemmungslos darüber lustig. Nichts für Leute, die mit strengem Ernst dem Guten, Schönen und Wahren frönten … Die mexikanische Revolution als Hintergrund sorgte für’s gute Gewissen, die technischen Devices kombinierten alles, was Spaß machte (frühe Autos, Flugzeuge, allerlei fantastisches Schießzeug) mit Pferden und langen Mänteln, und alles war unendlich cool. Bilder, Bilder, Bilder, wie im Comic, wie es sich für Kino gehört …
Deswegen ist auch der sehr empfehlenswerte Bildband von Uwe Killing so gelungen – er setzt eben genau auf Bilder. Bilder aller Stars von Lee van Cleef über Tomas Milan bis zu Marianne Koch, Bilder zu den wichtigen Themen Outfit, Action, Helden usw. Ein brauchbares kleines „Lexikon“ (nein, kein Nachschlagewerk, da gibt es andere: Bruckner, Hembus etc.), eine Menge Poster-Art (nebst netten Beilagen) und vor allem keine allzu ambitionierten Theorie-Texte, die uns endlich mal erklären, was der Italo-Western wirklich war und – cf. Quentin Tarantino – wirklich ist. Down to the ground, angenehm intelligent und diskret. Mit prächtigen Schauwerten.
Uwe Killing: Dreckige Spaghetti. Die glorreiche Geschichte des Italo-Western. Höfen: Hannibal Verlag 2013. 245 Seiten. 49,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.