Geschrieben am 25. Juni 2011 von für Bücher, Crimemag

Bloody Chops

Bloody Chops –

heute aus fiction, non-fiction und Bilderbuch von Joachim Feldmann (JF) und Thomas Wörtche (TW) …

Jack Black: Profunde Gedanken

(TW) 1930. Jack Black hebt an zum Abgesang auf den guten alten Outlaw, der stiehlt, raubt und mordet. Der aber noch Ehre im Leib hatte, Ganovenehre eben. Black war so einer (gemordet hat er, nach allem, was wir wissen, wohl nicht; gestohlen und betrogen schon), saß im Knast, war auf Opium und konnte schreiben. Eine Art Genet, ein Früh-Bukowski, ein Edward Bunker seiner Zeit. Black verschwand 1933 in den Nebeln der Geschichte; sein schmales Werk, vor allem seine Autobiografie „You Can’t Win“ (dt.: „Du kommst nicht durch“, 1998 bei Karin Kramer erschienen) hatte ein gewisses Prestige bei William S. Burroughs. Das wiederum sichert ihm die Aufmerksamkeit von Burroughs Stadthalter auf Erden, Jürgen Ploog, der auch diesem Artikel von Black ein nett gemeintes, eher enthusiastisches Nachwort beigegeben hat.

Jack Black

Jack Black

Blacks Text (erschienen immerhin in dem nicht unbedingt für Subversion stehenden, aber sehr renommierten Periodikum „Harper’s Monthly Magazine“ im Februar 1930) formuliert ein paar Standardbeobachtungen seiner Zeit: Die Prohibition ermöglicht die Generierung großer dubioser Vermögen. Recht und Gesetz sind käufliche Ware auf dem Markt der Interessen. Business, Verbrechen und Politik bilden zusammen eine untrennbare Konfiguration. „Der Knall der Pistole eines Gewaltverbrechers ist heutzutage nur das Echo aus den höheren Etagen der Bestechung und der Korruption“, notiert Black.

Im Grunde bietet der Aufsatz eine interpretatorische Essenz von Dashiell Hammetts Roman „Red Harvest“, der ein Jahr früher, 1929, erschienen war. Hammett, so behauptet der Waschzettel der wunderbaren winzigen „Edition Occidente“, die gar nicht genug zu loben ist, für diese kleine Gemme der Literaturgeschichte, sei von Jack Black beeinflusst gewesen. Weder bei den Hammett-Biografen Diane Johnson, William Nolan und Richard Layman habe ich allerdings einen Hinweis darauf gefunden, auch in der Brief-Edition von Layman/Rivett nicht. Das muss nichts heißen, Einfluss ist sowieso meistens ein viel zu starkes Wort an solchen Stelle. Aber immerhin, der Kontext, in dem Black und Hammett gedacht und geschrieben haben, sind die shifting baselines einer Gesellschaft, die im Begriff ist, so allmählich alle Wert bis auf den der Profitmaximierung zu kündigen. Insofern hat Blacks Text nicht nur literaturhistorischen Wert. Schön, dass wir ihn jetzt griffbereit vorliegen haben. Zitabel ist er für so ziemlich alle Fälle des Lebens, sofern sie uns kriminell vorkommen. Und das tun ja die meisten …

Jack Black: Gesetzbuch und Ganovenehre (A Burglar Looks at Laws and Codes, 1930). Essay. Deutsch von Axel Monte und Florian Fetsch. München: Edition Occidente 2011. 48 Seiten. 9,50 Euro. Verlagsinformationen zum Buch

Tartan Noir

(JF) Wie verzweifelt muss man sein, um sich über einen Job als Aufseher in einem Hochsicherheitsgefängnis zu freuen? Nick Glass, ohne Ausbildung, aber mit zweiundzwanzig bereits verheiratet und Vater einer fünfjährigen Tochter, ist auf jeden Fall froh, mit seiner kleinen Familie aus der schottischen Provinz nach Edinburgh ziehen zu können und so der Bevormundung durch seine Schwiegermutter zu entkommen. Dass das „Hilton“, wie die Schwerverbrecherherberge von ihren Bewohnern ironisch genannt wird, alles andere als ein angenehmer Arbeitsplatz ist, soll er allerdings bald erfahren. Nicht nur die Insassen, sondern auch seine Kollegen machen dem Unglücksraben das Leben schwer. Unerträglich wird die Situation, als ihn der Gangster Cäsar zum Drogenkurier machen will und, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, Nicks Familie bedroht.

Allan Guthrie

So beginnt die albtraumhafte Handlung von „Black Jail“, dem neuesten auf Deutsch vorliegenden Roman des schottischen Noir-Berserkers Allan Guthrie. Nick Glass geht nach einigem Zögern auf Cäsars „Vorschlag“ ein, besorgt sich aber auch eine Waffe, um Frau und Kind zu verteidigen. Und der Leser weiß, dass das nicht gut ausgehen wird.

In einer Rezension der Originalausgabe war zu lesen, dass britische Strafvollzugsbeamte Guthries Darstellung des brutalen Gefängnisalltags sehr realitätsnah fanden. Doch das ist nur ein Aspekt dieses verstörenden Romans. Kafkaeske Dialoge und surreale Traumsequenzen deuten schon bald darauf hin, dass mit Nicks Wirklichkeitswahrnehmung etwas nicht ganz in Ordnung zu sein scheint. So emanzipiert sich der Roman von den Handlungsmustern des harten Gefängnisthrillers, ohne auf dessen genrespezifisches Reizpotenzial zu verzichten, und gewinnt als faszinierendes narratives Exerzitium Format. Unbedingt lesenswert.

Anmerkung: Das Original heißt übrigens schlicht „Slammer“, also „Knast“. Was den Rotbuch Verlag wieder einmal bewogen hat, die deutsche Übersetzung mit einem anderen englischen Titel zu versehen, ist wahrscheinlich ein großes Marketinggeheimnis.

Allan Guthrie: Black Jail. (Slammer. 2009) Roman. Aus dem Englischen von Gerold Hens. 285 Seiten. Berlin: Rotbuch Verlag 2011. 16,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Homepage von Allen Guthrie.

Kajetan und die Münchner Räterepublik

(TW) Wenn es was nicht ist, dann eine Graphic Novel: Der Grafiker Bernd Wiedemann hat Bilder zu dem Roman „Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski“ von Robert Hültner aus dem Jahre 1996 erfunden, die Hültner wiederum mit Text-Splittern bzw. neuen kurzen Text-Passagen versehen hat – kombiniert ergeben beide Elemente ein nur schwach narratives, dafür aber stark atmosphärisches Kunstwerk.

Hültners Kajetan-Romane gehören, längst bevor Trends und Tendenzen historische Stoffe zum beliebigen Ausstattungsmaterial möglichst schwachsinniger Histo-Grimmis degradiert hatten, zum Grundbestand deutscher Kriminalliteratur von Rang. Denn der Polizist Kajetan ist in den spannenden Zeiten im ersten Drittel des Jahrhunderts zugange. Hier spielt die Handlung, direkt während der Münchner Räterepublik und ihres deprimierenden Endes.

Ein magischer Moment deutscher Geschichte – ich erinnere mich noch gut an die Suhrkamp-Sammlung, (es 176, um genau zu sein), in der Tankred Dorst eine Menge Materialien versammelt hatte, mit all den Heroen der Zeit – Erich Mühsam, Gustav Landauer, Ernst Toller, Kurt Eisner und wie sie alle hießen. Mit allen Ideen, Träumen, Hoffnungen und Visionen. Und allen realpolitischen Konfigurationen. Gestalten und Gedanken, die vermutlich nicht nur mich  geprägt haben, wie auch immer.

Robert Hültner

Bernd Wiedemanns Bilder treffen den „Zeitgeist“ jener Wintertage präzise, sie verwischen kunstvoll die Konturen, so wie die Konturen der Zeit von heute aus gesehen verwischen. In einzelnen Panels und Seiten erkennt man die dokumentarischen Fotos jener Tage. Die radikal-düstere schwarz-graue Ästhetik, die auch ein wenig mit Hannes Binders Glauser-Adaptionen korrespondiert, lässt keinen Zweifel daran, dass dieser Abschnitt deutscher Geschichte nicht gut enden wird.

Natürlich „erzählt“ dieser Band nicht penibel einen Krimi, da führt der Begriff Graphic Novel in die Irre. Aber er erzählt genug und in Bildern beredt aus einer faszinierenden Zeit.

Warum der Verlag allerdings ein Format gewählt hat, das die Bilder beengt, sie ohne Rand auf der Seite einzwängt, sie nicht atmen lässt, bleibt das Geheimnis der Herstellung.

Aber anyway, „Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski“ ist ein wunderbares Bilderbuch.

Robert Hültner/Bernd Wiedemann: Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski. Graphic Novel. München: DVA 2011. 111 Seiten. 24,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Homepage von Robert Hültner

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