Geschrieben am 5. März 2011 von für Bücher, Crimemag

Bloody Chops

Bloody Chops,

subtil, doch gleichzeitig brachial veranstaltet, von Frank Rumpel (rum), Joachim Feldmann (JF) und Thomas Wörtche (TW)

Bescheidener Titel, klasse Roman

(rum). Der Arzt und Industriellensohn Robert Lubisch findet nach dem Tod des Vaters in dessen Nachlass das Bild einer jungen Frau und einen SS-Ausweis mit fremdem Namen. Die Neugierde treibt ihn herauszufinden, wer die Frau war, um so vielleicht den Vater, zu dem er ein distanziertes Verhältnis hatte und dessen Fassade nach außen so perfekt war, im Nachhinein etwas anzukratzen. Bei seinen Nachforschungen hilft ihm die Journalistin Rita Albers, die mit ihren Recherchen eine Geschichte aufwühlt, die in die Kriegsjahre zurückreicht. Sah es zunächst so aus, als sei die Frau, die damals Modell stand, spurlos verschwunden, macht die Journalistin sie dennoch rasch ausfindig. Damit holt sie eine totgeschwiegene Geschichte in die Gegenwart, wofür sie kurz darauf erschlagen wird.

Borrmann erzählt parallel von den Nachforschungen wie von den Ereignissen in den Kriegsjahren, in denen sich eine Gruppe Jugendfreunde aus den Augen verliert. Die Freunde positionieren sich in der Nazizeit auf verschiedenen Seiten. Intrigen, Neid und Eifersucht besorgen den Rest. Geschickt verwebt Borrmann die Erzählstränge und schafft es, mit dem Fokus auf das feine Beziehungsgespinst in einem Dorf am Niederrhein, sich dem Terror der Kriegsjahre mit glaubhaft und differenziert gezeichneten Figuren auf unterschiedlichen Ebenen zu nähern. Ihre Geschichte ist so gut konstruiert, dass sich hier nach und nach alles so selbstverständlich wie überraschend ineinander fügt. Schlank und konzentriert hat sie die Geschichte in Szene gesetzt, dabei allerdings noch präziser und eindringlicher formuliert als bisher. Borrmann beherrscht die vielsagenden Zwischentöne, hat etwas zu erzählen und macht das in diesem Buch so gut wie noch nie. Dabei waren schon die beiden Vorgängerromane klasse.

Mechtild Borrmann: Wer das Schweigen bricht. Roman. Pendragon Verlag. 224 Seiten. 9,95 Euro.
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Schottischer Noir

(JF) Ein Mann tötet. Seine Opfer findet er scheinbar zufällig. Doch jede Tat wird sorgfältig geplant und gewissenhaft durchgeführt. Vergnügen an seinen Verbrechen empfindet der Mann nicht. Aber dennoch zeugt fast jeder seine Morde von sadistischem Kalkül, wie wir aus erster Hand erfahren. Denn der seltsame Serienmörder ist auch der Ich-Erzähler dieses Romans. Was allerdings nicht heißt, dass er uns von Anfang an über seine Motive aufklären würde. Wir haben es schließlich mit einem Mörder zu tun, der etwas von Erzählökonomie versteht und seinen perfiden Racheplan erst zum Ende des Romans offenlegt. Dann nämlich, wenn es ihm gelungen ist, sein Vorhaben – sogar besser als gedacht – in die Tat umzusetzen.

„Random“ heißt der außergewöhnliche Thriller des schottischen Journalisten Craig Robertson, dessen deutsche Übersetzung nun unter dem spekulativen Titel „Und Rache sollst du nehmen“ vorliegt. Es handelt sich um das tiefschwarze Porträt einer verkommenen Gesellschaft, das nur oberflächlich etwas mit den oft albernen Serienkillerfantastereien unserer Durchschnittskrimis zu tun hat. Der Reiz dieses Romans liegt nicht zuletzt in seinem manipulativen Element. Schließlich sehen wir die Welt durch die Augen eines Menschen, der von einer ungeheuren Wut erfüllt ist. Und es ist an uns zu entscheiden, ob wir diese Perspektive akzeptieren.

Craig Robertson besitzt einen bemerkenswerten Willen zur Kunst und ein nicht minder außergewöhnliches Talent für literarischen Schund. Sich von dieser Mischung faszinieren zu lassen, fällt nicht schwer.

Craig Robertson: Und Rache sollst du nehmen. Thriller. (Random,  2010). Aus dem Englischen von Ulrich Thiele. München: Heyne 2011. 397 Seiten. 8,99 Euro.
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Zäh …

(TW) Was für ein seltsam lebloses und fahles Buch. Man hat den Eindruck,  Dave Zeltermans „28 Minuten“ schon x-mal gelesen zu haben. Nur besser. Vier Amateure – Programmierer – überfallen eine Bank. Das geht schief. Und in der Bank sind auch Dinge, die Leuten gehören, die man lieber nicht beraubt. Hier mal wieder die inzwischen endemisch auftauchende russische „Mafia“ (noch grausamer, noch brutaler, noch irrer). Cops spielen auch mit. Und natürlich geraten sich die Räuber in die Haare. Am Ende sind, wer hätte das gedacht, viele dramatis personae mehr oder weniger scheußlich tot. Einer überlebt. Überraschungs- und Originalitätsfaktor: Null. Elend lange reflektierende Passagen, dramaturgisch quälende Dialogszenen. Cops aus dem „Wie-schreibe-ich-Cop-Novels“-Handbuch; russische Finsterlinge aus dem „Wie-schreibe-ich-russische-Finsterlinge“-Handbuch und bloß kein Witz, kein Tempo …  Hätte möglicherweise eine nette Kurzgeschichte von 30 Seiten ergeben. Mehr nicht. Und dass die Möchtegern-Gangster abgestürzte oder im Absturz begriffene Mittelständler sind, die den amerikanischen Kapitalismus am eigenen Leibe zu spüren bekommen – nu, da liest man dann lieber Donald Westlakes „Axe“ („Der Freisteller“, 2005 verfilmt) der auch die definitiv besseren Bankräuber-Romane geschrieben hat.

Fazit: Überflüssig.

Dave Zeltserman: 28 Minuten (Outsourced, 2010). Roman. Deutsch Von Ulrich Hoffmann. Berlin: Suhrkamp 2011. 322 Seiten. 9,95 Euro.
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Der Letzte seiner Art

(JF) Ungefähr drei Kilo dürfte die Rembrandt-Monografie des britischen Kunsthistorikers Simon Schama auf die Waage bringen, die Spenser „unter den Arm geklemmt“ spazieren trägt, um sich bei Nachforschungen im akademischen Milieu angemessen zu tarnen. Da braucht man Muckis, und die besitzt der Bostoner Privatdetektiv, dessen letzter Fall unter dem Titel „Trügerisches Bild“ nun auf Deutsch vorliegt, zur Genüge. Aber auch Verstand und Biss. Als nämlich der Kunstgeschichtsprofessor Ashton Prince bei der Übergabe eines gestohlenen Bildes Opfer eines Anschlags wird, fühlt sich Spenser, der den Mann während der Transaktion hatte beschützen sollen, persönlich herausgefordert. Schon bald stößt er auf eine klandestine Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, von den Nazis geraubte Kunstwerke für die eigentlichen Besitzern ausfindig zu machen. Dabei geht es immer auch um viel Geld, so dass von der ursprünglich noblen Motivation offenbar wenig übrig geblieben ist außer der Bereitschaft, entschlossen zu handeln, was der Ermittler bald am eigenen Leibe spüren soll.

Aber keine Sorge: Spenser ist ein längeres Leben beschert als seinem Schöpfer, dem im vergangenen Jahr plötzlich verstorbenen Robert B. Parker. Dabei ist der Privatschnüffler in gewissem Sinne einer der Letzten seiner Art: Ein Romantiker mit großer Klappe, harten Fäusten und Begabung zur Selbstironie. Gebildet ist er übrigens auch, doch das weiß er zum Vergnügen des Lesers meist gut zu verstecken.

Wer perfekt zubereitete Genrekost schätzt, kommt an Spenser nicht vorbei. Sechs Abenteuer liegen inzwischen in hübsch gestalteten Taschenbüchern bei Pendragon vor. Ältere Fälle lassen sich noch (als nicht ganz so hübsche gelbe Ullstein-Bände) für kleines Geld in den einschlägigen Internet Antiquariaten erwerben. Aber auch hier ist entschlossenes Handeln geboten: Eine letzte Stichprobe zeigte, dass hier die Preise nach oben gehen. Kein schlechtes Zeichen.

Robert B. Parker: Trügerisches Bild. Ein Auftrag für Spenser. (Two Painted Ladies). Übersetzt von Frank Böhmert. Bielefeld: Pendragon 2011. 212 Seiten. 9,95 Euro.
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Am Erker