Geschrieben am 12. Januar 2011 von für Bücher, Litmag

BARBARA EHRENREICH: SMILE OR DIE

Husarenritt gegen Amerikas gefährliche Infantilismen

– Die Journalistin Barbara Ehrenreich knüpft sich in ihrem neuen Buch „Smile or Die. Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt“ die „Think-positive“-Verkünder vor und schildert und die wahrlich makabren Folgen dieser Bewegung. Von Klaus Kamberger

Angela Merkels Neujahrsansprache, ganz sicher inspiriert vom viel beschworenen Weihnachtswunder, hat es gerade wieder belegt: Man muss nur an etwas glauben, dann ist alles (wieder) gut, die Krise weg, die Zukunft im Griff. Amerikas positive Denker machen es vor: Glaub nur fest daran, dass es aufwärts geht, auch wenn du dafür all deine Kräfte für mich, deinen Coach, deinen Shrink, deinen Banker, deinen Chef einsetzen (und dabei dein Portemonnaie empfindlich leeren) musst. Glaub an den Markt und seine sich wie von selbst regulierenden Kräfte, dann wirst du reich, auf alle Fälle, du musst es nur richtig machen. Glaub an wen und was immer du willst, an deinen Guru, an Bachblüten, Jesus, die Magie der Steine, an Guido und seine Steuersenker, an Tom Cruise und seine Hintermänner, ans Karma und Strahlen jedweder Art, Hauptsache, du glaubst – vor allem aber an dich selbst. Dann wirst du reich, schön und glücklich.

Doch dummerweise gibt es hier und da noch Individuen, die ihren Kopf nicht über rosa Wolken schweben lassen, sondern diesen noch zum Denken benutzen. Eine gewisse Barbara Ehrenreich aus Montana gehört zu dieser Spezies, und das sogar schon seit geraumer Zeit. Sie schreibt für das New York Times Magazine, Harper’s, Vogue, das Wallstreet Journal und Die Zeit. Also für Blätter, die noch etwas für Wörter wie „Vernunft“ und „Aufklärung“ übrig haben. Genau wie Antje Kunstmann, deren Verlag bei uns schon seit langem Ehrenreichs kritische Husarenritte gegen Amerikas gefährliche Infantilismen verbreitet – wohl wissend, dass drüben in der Neuen Welt zwar vieles anders ist, aber vieles auch von dort zu uns herüberschwappt, und sei es noch so verquer und schlecht vergoren.

Foto: Sigrid Estrada

Glaub an dich, dann wird alles gut, auch deine Hypothekenschuld

Diesmal hat sich Ehrenreich die „Think-positive“-Verkünder in ihrem Land und die wahrlich makabren Folgen dieser Bewegung vorgeknöpft. Schon wahr, die Exzesse, die sie beschreibt (etwa Brustkrebs als bewusstseinserweiternde Kraft / Gott will, dass du reich bist), wirken in unseren Augen erst einmal typisch amerikanisch, aber doch nur auf den ersten Blick: Auch den verheerenden Subprime-Crash von 2008 und seine weltweiten Lehman-Folgen führt sie mit bestechenden Argumenten auf den Wahnwitz des „positiven Denkens“ zurück: Glaub an dich, dann wird alles gut, auch deine Hypothekenschuld, und wenn doch etwas schiefläuft, denk dran, der liebe Gott hat noch einen Plan mit dir!

Wie man diese krude Mischung aus Transzendenz, Magie und Selbstbetrug gewinnträchtig inszeniert, zeigt der zunächst zwar grotesk anmutende, dann aber unglaublich suggestive Umgang – ja, nicht mit dem Zustand des Glücks und dem Weg dorthin, sondern ausgerechnet mit dem Elend und seinen Ursachen, von denen einer erlöst werden will. Arm ist nämlich niemand, weil halt die Umstände so sind, schuld ist allein der Arme und Elende selbst. Selbst seine Krebserkrankung ist mitnichten ein unglücklicher Zufall, sondern Folge einer negativen Einstellung zum eigenen Körper. Punkt. Wie man das ändert? Ganz einfach: Man spende eifrig dieser oder jener Erweckungskirche, buche einen passenden Motivationskurs, kaufe eifrig Lebenshilfe-Bücher, gehe zum Seelenklempner und löhne ein Vermögen für die Couch-Miete. Dann lernt man schon, was Glück und Zufriedenheit sind. Reich werden davon zwar andere, aber das ist dir dann egal, weil du ja selbst bald genauso reich bist.

Noch Fragen? Aber, aber, kein Glaube braucht Fragen, nur Bestätigung. Die liefert übrigens eine passend darauf zugeschnittene Lehre, nämlich die in den USA schon weit in die akademischen Gefilde eingedrungene „Positive Psychologie“. Sie bezeichnet sich denn auch so schamlos wie unwidersprochen als „Wissenschaft“. Aber das tut ja zum Beispiel die Theologie auch. Was sie übrigens auch tun dürfte, wenn sie sich schlicht „Bibelkunde“ nennen würde – und analog die Positive Psychologie dann etwa „Technische Wohlfühlkunde“. Über deren Risiken und Nebenwirkungen kann man nun bei Barbara Ehrenreich alles nachlesen.

Klaus Kamberger

Barbara Ehrenreich: Smile or Die. Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt (Smile or Die: How Positive Thinking Fooled America and the World by, 2010). Aus dem Amerikanischen von Gabriele Gockel und Barbara Steckhan. München: Verlag Antje Kunstmann 2010. 254 Seiten. 19,90 Euro

Zur Homepage von Barbara Ehrenreich. Ein ausführliches Video-Interview mit der Autorin finden Sie hier.