Geschrieben am 16. Dezember 2004 von für Bücher, Litmag

Antonella Romeo: La deutsche Vita

Bella Germania

Eine italienische Journalistin versucht, die Deutschen zu verstehen, Deutschland zu entdecken, ohne dabei ihre italienische Herkunft zuvergessen.

Schon das vom Verlag gewählte Coverbild ist irritierend. Eine üppig grüne Parklandschaft, die für ein deutsches Auge nichts Außergewöhnliches darstellt. Wer jedoch die italienischen Betonwüsten in und um großen Städten wie Rom, Neapel, Mailand oder Turin kennt, merkt bei diesem Motiv auf.

Italienische Städte mögen unendlich viele bedeutsame historische Bauten besitzen, größere Grünanlagen jedoch gibt es nur wenige. Antonella Romeo ist von dem Grün in der deutschen Landschaft begeistert. „Die Italiener haben nicht die leiseste Ahnung was sie versäumen, wenn sie auf ihren Reisen Deutschland links liegen lassen.“ Fasziniert zeigt sie ihren italienischen Freunden die Reize Schleswig-Holsteins, während wir Deutsche immer nur von der Toskana träumen. Die Autorin versucht aber nicht nur für Deutsche oft ungewohnte Blicke auf deutsche Landschaften zu werfen. Sie sieht auch viele andere alltägliche Besonderheiten in ihrem neuen Gastland, die deutlich unterschieden sind von Italien.

Die Deutschen, so sieht es jedenfalls Antonella Romeo, sind Weltmeister im Feiern, und nur mit Grauen erinnert sie sich an Familienfeste im heimatlichen Italien, wo zwar sehr gut gegessen wird, aber alle Spontaneität in Förmlichkeiten erstickt wird. Auch mit ihrer jüngeren Geschichte hätten sich die Deutschen wesentlich gründlicher auseinander gesetzt als die Italiener.

Aber schon hier formuliert die Autorin einige Einwände am Beispiel der Familie ihres deutschen Mannes. Sie, die einer antifaschistischen Familie entstammt und deren Eltern zum Teil noch gegen die deutsche Wehrmacht gekämpft haben, schüttelt nur den Kopf über die hartnäckige Verdrängungsarbeit ihrer Schwiegereltern. Bei ihrer eigenen Mutter gelingt es der Autorin, die Vorbehalte gegen „die Deutschen“ zu überwinden. Bei ihrem Schwiegervater aber, der Mitglied der Waffen-SS gewesen ist, bleibt eine letztlich nicht zu überwindende mentale Barriere.

Geringe Selbstliebe der Deutschen

Es zeichnet das Buch von Antonella Romeo aus, dass es nicht frei von Brüchen und scharfen Schnitten ist. Einem sehr ernsten Kapitel über die deutsche Nazi-Vergangenheit folgen unmittelbar ironisch gefärbte Beobachtungen über den deutschen Kerzenkult. Sie schreibt kopfschüttelnd über den Alltag auf einem Nudistenstrand an der Nordsee, um dann sofort den kalten Umgang vieler Deutschen mit ihren alten Verwandten und Nachbarn zu beklagen. Während es ihr gelingt, viele in Italien verbreitete Klischees über Deutschland zu widerlegen, ist ihr Italien-Bild nicht ganz frei von Überzeichnungen. Aber vielleicht ist das auch nur eine „typisch deutsche Wahrnehmung“, nach der das eigene Land gerne in tiefschwarzen Farben gemalt wird, aber woanders immer nur Zitronen blühen, Feste gefeiert werden und die Sonne scheint. „Die geringe Selbstliebe, der überkritische Blick auf sich selbst“, schreibt Antonella Romeo an einer Stelle, „empfand ich als den auffälligsten und eigenartigsten Charakterzug in diesem Land.“

Dass es der italienischen Autorin gelingt, ihren deutschen Lesern zu einem differenzierten Blick auf das eigene Land zu verhelfen, ohne dabei irgendwelche patriotischen, gar „stolzen“ Gefühle zu entwickeln, nimmt man mit Dankbarkeit zur Kenntnis. Nun kann man nur hoffen, dass dieses wider alle Klischees geschriebene Buch auch einen italienischen Verleger findet. Die italienische Sicht auf Deutschland ist leider immer noch von viel Unwissen und Einseitigkeit geprägt.

Carl Wilhelm Macke

Antonella Romeo: La deutsche Vita. Aus dem Italienischen von Barbara Schaden. Hoffmann und Campe 2004. Gebunden. 205 Seiten. 15,90 Euro. ISBN 3-455-09428-7