Trashiges Potpourri
Rhapsodisch springt André Kubiczeks Prosa mitreißend dahin und erfasst die Zeit und ihre Wirklichkeit mit Bildern von großer Tiefenschärfe.
André Kubiczeks Helden gehören zu einer alles andere als rund laufenden „Generation Golf“: Sie sind Anfang 30, lavieren sich am Rande der Gesellschaft zwischen Studium und Jobs durch das Leben und stolpern ohne Ziel und mit viel Alkoholgenuss nach vorn – und dabei mitten hinein in die „Abenteuer dieser Tage.“
So machen sich Kubiczeks Protagonisten Rock und Bender eines schäbigen Sommertages mit ihrem klapprigen T3 von Berlin aus auf den Weg zu einem flüchtigen Bekannten im tiefen Schwarzwald. Auf einem Zwischenstopp bringen sie Benders Großvater im Harz unter die Erde und erfahren auf der Trauerfeier von einem mysteriösen Familiengeheimnis – und plötzlich sind sie mittendrin in einem Abenteuer, dessen Spuren vom Ende des Weltkrieges über den Kalten Krieg bis zur Gegenwart führen. Verwirrende Fronten und überraschende Koalitionen laufen dabei zwischen militanten antikommunistischen Vereinigungen und der Stasi, zwischen Staatsfeinden und dem Verfassungsschutz. Eine zentrale Rolle scheint dabei der geheimnisvolle Dr. Winter zu spielen und um ihn herum tummeln sich agitierende, spionierende und sabotierende Revisionisten, Kommunisten, Neonazis und BND-Mitarbeiter. Und dann wäre da auch noch die postfeministische Punkrockband „Ramonas“, die den Kreis zu Rock und Bender schließt.
In einem trashigen Potpourri aus Road-Movie, Agententhriller und postmoderner Dekonstruktion legt André Kubiczek in seinem Roman eine Fülle von Fährten, offenen Fragen und losen Fäden zwischen deutscher Vergangenheit und Gegenwart aus, um sie schließlich kunstvoll zusammen zu führen und aufzulösen.
Beeindruckend ist dabei die ausgereifte sprachliche Meisterschaft des 1969 in Potsdam geborenen André Kubiczek: Rhapsodisch springt seine Prosa mitreißend dahin und erfasst die Zeit und ihre Wirklichkeit mit Bildern von großer Tiefenschärfe.
Karsten Herrmann
André Kubiczek: Oben leuchten die Sterne. Rowohlt Berlin. 300 Seiten. 19,90 Euro.
