Der Geist der Beat-Generation
– Allen Ginsberg und Jack Kerouac gehörten zu den zentralen Figuren der amerikanischen Beat-Generation und inspirieren mit ihren Werken „Howl“ und insbesondere „On the road“ bis heute junge Menschen rund um den Globus. Der jetzt auf Deutsch bei Rogner & Bernhard erschienene Briefwechsel zwischen den beiden gewährt faszinierende Einblicke in eine bewegte Generation zwischen Genie und Wahnsinn. Von Karsten Herrmann.
Der Briefwechsel reicht vom Jahr 1944, in dem sich die beiden späteren Beat-Heroen erstmals trafen, bis zu Kerouacs frühen Tod im Jahr 1969. Von Anfang an atmen die Briefe dabei den Geist der Suche und des Aufbruchs in einer als bedrückend empfundenen Realität: „Mitten im unterschiedslosen Chaos, in namenlos wuchernder Realität, suchst du nach Identität“ schreibt Kerouac 1944 an Ginsberg und weist der Literatur und der Kunst dabei eine entscheidende Rolle zu: „ich klammere mich eitel an den Glauben, dass Kunst das potenziell Größte ist, die neue Vision entspringt diesem künstlerischen Rohstoff der Menschheit.“

Beatgeneration
Während Kerouac sich in den Briefen als Energie geladener, romantischer Visionär zeigt, ist Ginsberg eher der kritische Geist, der sich nach der Auslöschung des ruhelosen und alles zersetzenden Selbst über die Kunst sehnt. Schon früh gerät er dabei an die Grenzen des Wahnsinns und wird von erschreckenden Visionen heimgesucht: „Das Unwirkliche ist jetzt für mich zur stärksten Wirklichkeit überhaupt geworden“ schreibt er an Kerouac im Sommer 1948 und weist sich 1949 schließlich selber in ein Irrenhaus ein. Derweil arbeitet Kerouac schon an seinem späteren Hauptwerk „On the road“: „ich will über diese verrückte Generation schreiben und sie bekannt machen.“
Die ständige Bewegung, das „on the road“-Sein und der durch Alkohol, Hasch, Amphetamine, Halluzinogene oder Heroin provozierte Rausch zeigen sich in den Briefen als bestimmende Momente der Beat Generation, zu deren engerem Kreise in diesen Jahren auch William S. Burroughs, Neal Cassidy, Gregory Corso, Herbert Huncke oder Gary Snyder gehörten. Kreuz und quer jagten sie mir nur ein paar Dollars in der Tasche mit Bahn, Bussen oder Autos durch die USA, reisten nach Mexiko und Südamerika, später auch nach Marokko, Paris oder Indien. Ihr Leben und Schreiben war dabei von heftigen Pendelbewegungen zwischen euphorischen Höhen sowie jähen Abstürzen und Depressionen geprägt: „Wie sollen wir leben, wenn nichts eine Zukunft zu haben scheint?“ klagt Ginsberg einmal beispielhaft.

Kerouac & Ginsberg
Die Briefe zwischen Kerouac und Ginsberg spiegeln dieses rauschhafte Lebensgefühl intensiv wieder, dienen aber auch dem literarischen Austausch oder dem spirituellen Diskurs – so über den von Kerouac vertretenen (Zen-) Buddhismus. Auch und insbesondere zeugen die Briefe aber auch von den verzweifelten Anstrengungen und immer wieder enttäuschten Hoffnungen auf den dichterischen Durchbruch. Ginsberg nimmt hier in den ersten Jahren eine aktive Agentenrolle für seine Schriftstellerkollegen ein, ermuntert und motiviert, preist an, verhandelt mit Verlagen und Zeitschriften. Fast besessen arbeitet Kerouac in diesen Jahren an immer neuen Romanen wie „The town and the city“, „Doctors Sax“, Visions of Cody“ oder „The Subterreans“. Mit dem Erscheinen von „Howl“ und „On the road“ 1956 und 1957 erlebt die Beat Generation dann schließlich ihren Durchbruch.
Doch Kerouac, der „Weltzertrümmerer“, kann den neuen Ruhm nur kurz genießen, fühlt sich schon bald von den vielen Anfragen und Begehrlichkeiten bedrängt und in seiner Schaffenskraft gehemmt. Immer mehr hat er mit seinem Alkoholproblem zu kämpfen und sehnt sich nach einem „Ruhezustand von der Welt“: „Ich muss weg, um wieder mal, eine Weile, in Ruhe allein zu sein, wie Gott.“
Der Briefwechsel zwischen Ginsberg und Kerouac ist ein beeindruckendes Zeitdokument und zeigt auf exemplarische Weise die Höhen und Tiefen einer Schriftstellerexistenz, die aufs Ganze geht. Die Briefe sind dabei über weite Strecken kein Zeugnis hochliterarischer Ambitionen, sondern gehetzter, chaotischer, fragmentarischer Ausdruck des momentanen Bewusstseins. Sie gleichen so einem wüsten Steinbruch, in dem das alltäglich-banale neben dem literarisch exquisiten steht, in dem sich Genie und Wahnsinn, Höhenflug und Verzweiflung durchkreuzen.
Sie schließen 1963 mit Jack Kerouacs – heute aktueller denn je erscheinender – „schrecklicher Vision von einem Zuviel an Welt, die uns einfach zu viel abverlangt, die Essenz unseres Geistes ist total zerschossen von Musik, Leuten, Büchern, Zeitungen, Filmen, Spielen, Sex, Gesprächen, Geschäften, Steuern, Autos, Ärschen, Märschen babbeldiba etc. und ich bin daran erstickt“.
Karsten Herrmann
Allen Ginsberg / Jack Kerouac: Ruhm tötet alles. Die Briefe. Herausgegeben von Bill Morgan & David Stanford. Aus dem Amerikanischen von Michael Kellner. Rogner & Bernhard 2012. 500 Seiten. 22,90 Euro. Eine schöne italienische Kurzdoku über die „Beats“ finden Sie hier.
Bild Beatgeneration: Clockwise from left: Jack Kerouac, Allen Ginsberg, Peter Orlovsky, Lafcadio Orlovsky, and Gregory Corso in 1956.