Geschrieben am 5. Dezember 2009 von für Bücher, Crimemag

Alfred Komarek: Polt

Bitter im Abgang

Polt darf den selbstgewählten Ruhestand nicht genießen. Denn nicht nur auf der Alm, sondern auch in den Weinbergen gibt’s die Sünd’. Obwohl … Jörg von Bilavsky hätte es gerne sündiger.

Die Krimis von Alfred Komarek kann man genießen wie einen edlen Tropfen. Und ihrer wahren oder vermeintlichen Qualität wird man wohl auch dann erst gerecht, wenn man sie mit den Kriterien eines Weinkenners misst. So wie der pensionierte Gendarm Polt jeden Jahrgang im niederösterreichischen Weinviertel begutachtet, lassen sich auch seine Fälle begutachten und beurteilen. Und man darf wohl sagen, dass Komareks jüngster Polt-Krimi einem gediegenen Jahrgang entspricht, der fruchtig frisch den Gaumen benetzt, ein wohlig-samtiges Aroma entfaltet. Aber im Abgang, ja im Abgang doch etwas bitter anmutet. So zumindest lässt sich die durchaus überraschende und etwas übereilte Schlusspointe dieses Krimis charakterisieren, der auch diesmal wieder mit „malerische Melancholie“ (Ingeborg Sperl) beginnt, und mit einer todbringenden Depression endet.

Wie sein träger Titelheld lässt sich auch Komarek wieder genüsslich Zeit bei der Beobachtung und Beschreibung von Land und Leuten, die den guten alten Zeiten nachhängen. Als die Winzer ihre Weine noch in Eichen- und nicht Stahlfässern kelterten und in ihren Presshäuser genüsslich miteinander zechten. Von dieser weinseligen Idylle ist wenig geblieben, aber das Wenige versucht Komarek in seinen Romanen zu konservieren. Vielleicht auch aus nostalgischen, aber vielmehr aus dramaturgischen Motiven. Denn was wirkt aufschreckender und aufregender als die plötzliche Störung, die unvermutete Zerstörung der Idylle. Ein toter Yuppie in feinem Zwirn bildet dabei den klassischen Auftakt für das sich langsam entfaltende Dorfdrama.

Zufall

Dass Polt den jungen Mann mit aufgeschnittenen Pulsadern natürlich zufällig im Weinberg seines besten Freundes, dem Polizisten Norbert Sailer, findet, macht die Sache noch pikanter. Wieso Sailer von seinem Vorgesetzten Priml schon allein deshalb verdächtigt wird, weil der Tatort vor dessen Haustür liegt, ist nicht so ganz einsichtig. Dass der charakterstarke Sailer und seine liebenswerte Frau Birgit jedoch über jeden Verdacht erhaben sind, will man dem Menschenkenner Polt gerne glauben. Doch wie immer trügt der wohlanständige Schein. Was sich jedoch dahinter verbirgt, vermag Polt wie immer nur auf Umwegen, bei Trinkgelagen, scheinbar harmlosen Gesprächen und Geständnissen herauszufinden. Und wieder einmal bewahrheitet sich, dass die Sünd’ überall zu Haus ist. Und sich nicht nur in blutigen Nachbarschaftsfehden oder kleinkarierten Intrigenspielen Bahn bricht, sondern oftmals viel extremere Ursachen hat, denen vielleicht nur ein Gemütsmensch wie Polt auf die Spur kommt.

Aber Polt hat nur eine Ahnung, überführt wird der Täter schließlich von einer todesmutigen Frau. So regieren am Ende mehr der Zufall und das Glück, als die Intuition des ehemaligen Gendarmen. Auch den Tathergang und das Motiv bringt nicht Polt, sondern der Mörder selbst zur Sprache. In einem Geständnis, das alle Unklarheiten beseitigt und zugleich den Schlusspunkt der Geschichte bildet. Doch dies geschieht mit solch einer Hast, dass man annehmen muss, Komarek wollte so schnell mit dem Fall abschließen. Insofern hinterlässt nicht nur die menschliche Tragödie beim Leser einen leicht bitteren Nachgeschmack, sondern auch der allzu mutwillig herbeigeschriebe Schluss.

Jörg von Bilavsky

Alfred Komarek: Polt. Roman.
Innsbruck-Wien: Haymon Verlag 2009. 168 Seiten. 17,90 Euro.