Geschrieben am 9. März 2013 von für Bücher, Crimemag

Sebastian Fitzek und Michael Tsokos: Abgeschnitten

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– „Abgeschnitten“ spaltet die Gemüter. Einige Leser finden, dass dieser Thriller der reinste konstruierte Trash ist, andere hingegen sind verzückt von der improvisierten Obduktion mit Killer im Nacken. Thorlef Czopnik plätschert im Blut.

Rechtsmediziner Paul Herzfeld hat ein ziemlich letales Problem: Auf seinem Tisch liegt eine Leiche und im Kopf der Leiche befindet sich die Telefonnummer seiner Tochter. Doch jetzt kommt erst der Clou der ganzen vertrackten Angelegenheit: Der nächste Hinweis auf den Standort seiner Tochter und, damit verbunden die nächste Leiche, befindet sich auf Helgoland. Allerdings wütet auf Helgoland ein Orkan. Hier kommt die Comic- Zeichnerin Linda ins Spiel. Per Telefon gibt Herzfeld ihr Anweisungen durch, wie sie eine Obduktion durchführen soll und bald erkennt Linda, dass neben Blut und Eingeweiden noch jemand auf der Insel ist …

Michael Tsokos 2012

Michael Tsokos 2012

Fitzek/ Tsokos

Dr. Michael Tsokos leitet die Rechtsmedizin an der Berliner Charité und ist im Buchbusiness kein unbeschriebenes Blatt. Sebastian Fitzek gilt momentan als einer der bekanntesten Thrillerautoren Deutschlands. 2012 gab es für die Fans des Autors den „Doppelten Fitzek“: Einmal die Verfilmung zum Roman „Das Kind“ und eben den Roman „Abgeschnitten“. Zwei Großprojekte in einem Jahr, das bedeutet normalerweise, dass ein Projekt total für die Tonne ist oder dass beide Projekte mehr an lauwarme Würstchen erinnern. Um dieses organisatorische Problem zu umschiffen, hat vermutlich Sebastian Fitzek Dr. Michael Tsokos mit ins Thrillerboot genommen, was sich keinesfalls als Fehlentscheidung entpuppt hat.

Wie blutig darf es denn sein …?

Wenn schon ein Rechtsmediziner mit im Boot ist, dann darf es nicht verwundern, dass den Lesern blutige Leckerbissen serviert und einige Handlungen ekliger ausfallen als es manchem Magen lieb ist. Neben solchen Beschreibungen tauchen dann die üblichen kurzen Kapitel mit Fitzek`schen Cliffhangern auf, die „Abgeschnitten“ zum Pageturner machen sollen. Man kann an der Stelle diskutieren, ob die einlässlichen Schilderungen der Obduktion das Buch nicht in einen konstruierten „0815- Splatter- Trash-Horror-Thriller“ verwandeln, der zudem noch mit einer Moralpredigt über das Rechtssystem daherkommt.

Die Idee, eine bizarre Schnitzeljagd durch Deutschland zu starten, ist bei Fitzek nicht sonderlich neu. Schon im „Augensammler“ bzw. im „Augenjäger“ gab es dieses Motiv, allerdings wird hier der Protagonist (Herzfeld) zu einer passiven Rolle verdonnert. Er steht dem Killer und der Rettung seiner Tochter hilflos gegenüber und diese Hilflosigkeit wird sehr detailliert und gut dargestellt. So macht der Akku vom Smartphone mitten im Gespräch schlapp oder das Navi leitet Herzfeld mitten in die Walachei. Das sind alles Probleme, die man als Leser aus dem Alltag kennt; im Zusammenhang mit einem Thriller und einer Schnitzeljagd, bei der es um jede Sekunde geht, wirken diese Alltagsschnipsel plötzlich erschreckend und brutal auf den Leser.
Die aktive und dadurch auch blutigere Rolle wird Linda zuteil. Linda selbst wird von einem Stalker verfolgt und hat sich auf Helgoland verschanzt. Die Angst, ihrem vermeintlichen Verfolger in die Arme zu laufen, bringt sie mit in dieses bizarres Spiel, denn vor lauter Panik, dass der Stalker in ihrem Haus ist, flieht sie in Richtung Strand und findet einen weiteren Hinweis, eine weitere Leiche. Und ab diesem Zeitpunkt wird es richtig bäää und man fühlt mit ihr, wenn sie den Brustkorb öffnet.

Ob das dann nun too much ist?

Sebastian Fitzek

Sebastian Fitzek

Fazit:

„Abgeschnitten“ ist ein schauriger Roman, der neben der psychologischen Ebene auch eine blutige Seite hat. Wem zum Beispiel „Saw“ sehr gefallen hat, der wird hier auf seine Kosten kommen. Wer einmal sehen will, wie klassische „Horrorelemente“ in einen modernen Thriller gepackt werden, der wird hier sogar seine helle Freude haben.

Erwähnenswert ist noch das „Vorspiel“. Ganz im Sinne der Fitzek’schen Gewohnheit geht es multimedial zu. So sollte man sich das Buchcover genauer anschauen und gegebenenfalls die Telefonnummer anrufen, die darauf abgebildet ist. Ich kann garantieren, dass der Anruf einen zusammenfahren lässt. Auch ein Comic-Video-Prequel gibt es zu dem Buch auf Youtube. All das macht „Abgeschnitten“ zu einer blutig-guten Kost, die zu unterhalten weiß.

Thorlef Czopnik

Sebastian Fitzek und Michael Tsokos: Abgeschnitten. Roman. München: Droemer 2012. 400 Seiten. 19,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
Foto Tsokos: Ralf Roletschek. Foto Fitzek: sebastianfitzek.de.

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