Geschrieben am 11. Juli 2012 von für Musikmag

Wikipedia muss digitales Weltkulturerbe werden

Logo WeezerpediaFreies Wissen im Netz

– W für Weezer, W für Wikipedia: Darum muss die Online-Enzyklopädie digitales Weltkulturerbe werden. Erstmals hat Wikimedia Deutschland Anfang Juli den Zedler-Preis für Freies Wissen verliehen, auch die Preisträger der Grimme Online Awards 2012 wurden feierlich präsentiert. Thomas Backs nahm das zum Anlass, sich mit dem Web 2.0 und dem digitalen Weltkulturerbe zu beschäftigen. Nicht ganz zufällig kramte er dabei auch mal wieder das Grüne Album der US-Band Weezer hervor.

Was sind eigentlich die größten Errungenschaften des Web 2.0? Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter? Nicht wirklich. Das vom Google-Konzern gekaufte Video-Portal YouTube? Wohl kaum. Die größte Errungenschaft existiert schon viel viel länger, ihre Anfänge reichen bis weit in das 20. Jahrhundert zurück. Mit Beginn des 3. Jahrtausends startete der endgültige Siegeszug des Wiki: Durch die freie Enzyklopädie Wikipedia ist ein Leben ohne das Freie Wissen im Netz nicht mehr vorstellbar. Jedenfalls für Menschen, die nicht in totalitären Staaten wie dem des deutschen Handelspartners China leben. An dieser Stelle zeigen wir gute Gründe, warum Wikipedia zum ersten digitalen Weltkulturerbe ernannt werden sollte. Dabei stoßen wir auch auf ein ganz besonderes Online-Lexikon, das sich voll und ganz der US-Band Weezer widmet.

Wer wünscht sich heute denn noch eine Welt ohne Wikis und Freies Wissen? Karl-Theodor zu Guttenberg, Silvana Koch-Mehrin und Co., wahrscheinlich. Der Rest profitiert ganz gewaltig vom kollektiven Werk, greift laufend auf die frei zugänglichen Lexikon-Beiträge der Netzgemeinde zurück. Sehr schön: Am Sonntag, 1. Juli, hat Wikimedia Deutschland zum ersten Mal den Zedler-Preis für Freies Wissen verliehen, der die bisherige Zedler-Medaille abgelöst hat. Ausgezeichnet wurden ganz besonders feine Gemeinschaftsprojekte in drei Kategorien. Wikipedia-Artikel des Jahres 2012 ist der Beitrag über die Nuklearkatastrophe in Fukushima, in der Kategorie „Community-Projekt des Jahres” ging der Preis an das Wikipedia-Portal österreichischer Denkmal-Listen. Externe Projekte, die als unabhängige Wikis außerhalb der Wikimedia Foundation produziert werden, davon gibt es mittlerweile viele. Auch hier vergibt der gemeinnützige Wikimedia-Verein einen Zedler-Preis, 2012 ging die Auszeichung an das allseits bekannte VroniPlag, das seinen Fokus auf die Untersuchung „wissenschaftlicher” Arbeiten von Berufspolitikern legt.

Eine ganz wunderbare Idee, diese Auszeichnung, bei der auch Sonderpreise vergeben wurden. Die Autoren des liebevoll gestalteten Beitrags Pizzakarton konnten sich wie das Projekt Blume der Woche freuen. Mit letzterem schickt der Wikpedia-Nutzer Ephraim33 anderen Benutzern einen virtuellen Blumengruß als Dankeschön für ihren Einsatz im Projekt. Klasse.

Ein Preis wie dieser ist auch ein guter Anlass, um an die Petition der Wikimedia-Foundation zu erinnern, die seit Mai 2011 online ist. Mehr als 81.000 Menschen haben seitdem unterzeichnet, sehr viele weitere werden hoffentlich noch folgen.

Der Wortlaut der Petition:

An die UNESCO und die Unterzeichner-Staaten der Welterbekonvention: Ich unterstütze den Vorschlag, WIKIPEDIA als Weltkulturerbe anzuerkennen, denn auch ich bin überzeugt, dass Wikipedia ein Meisterwerk menschlicher Schöpfungskraft und von universellem Wert ist. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass WIKIPEDIA den Status als erstes digitales und weltweites Weltkulturerbe erhält!

Direkt zur Petition kommt Ihr hier, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales erklärt im Video, warum die Auszeichnung als erstes digitales Weltkulturerbe so wichtig wäre:

Persönlich habe ich die Petition schon vor einiger Zeit unterzeichnet. Meine Arbeit als Autor und Journalist kann ich mir ohne die Wikipedia nicht mehr vorstellen, ihr Wert für die Allgemeinheit lässt sich in den Tagen dieser medialen Zeitenwende überhaupt nicht messen. Umso wichtiger, dass Wikipedia erhalten und gefördert wird, um auch in Zukunft möglichst vielen Menschen auf diesem Planeten den Zugang zu Wissen und Bildung zu ermöglichen. Traditionsmedien wie TV und Tageszeitungen etwa erfüllen Aufträge wie diesen immer seltener, sie sind mittlerweile zu oft durchdrungen von PR-Beiträgen und gezielter Meinungsmache, zum Beispiel durch Politik, Lobbyismus und wirtschaftliche Interessen. Von daher: Nehmt Euch die Zeit für Eure Stimme!

An dieser Stelle noch der Hinweis auf zwei Wikis, die mir persönlich in den letzten Monaten besonders viel Freude bereitet haben: Im deutschsprachigen Raum ist es die Lobbypedia, die gerade absolut verdient mit dem Grimme Online Award 2012 ausgezeichnet worden ist. Ein sehr informatives, lobbykritisches Online-Lexikon, das vom Verein Lobby Control e. V. erstellt und finanziert wird. In gut recherchierten, ausführlich Beiträgen könnt Ihr dort zum Beispiel nachlesen, wie der ehemalige Sozialdemokrat Wolfgang Clement seinen Weg als Lobbyist der neoliberalen Eliten geht. Wichtige Hintergrundinformationen liefern beispielsweise auch die Seiten über die Rolle der Finanzlobby vor und während der Finanzkrise.

Weezer: Green AlbumFreies Wissen für Musikliebhaber

Ja, und als Musikliebhaber suche ich in den Wikis dieser Welt regelmäßig nach Informationen über Künstler, die mir besonders am Herzen liegen. Und/oder jene, über deren Werke ich als Fachjournalist berichten darf. Bis heute begeistert mich zum Beispiel seit Beginn der nuller Jahre ein ganz simples, schnörkelloses Rock-Album, mit einfach wunderbaren Melodien. Um seine Entstehung ranken sich seit jenen Tagen eine Menge heiße Geschichten. „Weezer” heißt es offziell, es erschien im Jahr 2001 und ist bei uns Fans eher als „Das Grüne Album” oder „The Green Album” bekannt. Bekannt ist bis in die Gegenwart die herrlich entspannte Single „Island In The Sun”. Die dürften auch Menschen kennen, die (noch) nicht ganz ohne Dudelfunk leben können. Produzent war wie bereits beim Weezer-Debüt 1994 („Das Blaue Album”) Ric Ocasek, der früher selbst mit seiner eigenen Band The Cars sehr erfolgreich war.

Rivers Cuomo, Sänger, Gitarrist und Songwriter der von vielen so innig geliebten Weezer, hatte Jahre zuvor sein Literatur-Studium in Harvard wieder aufgenommen, in einer langen Band-Pause soll eine gewaltige Menge neuer, teilweise großartiger Rocksongs entstanden sein. Nur zehn von etwa 75 (!) Songs schafften es am Ende auf ein kurzes, knackiges Comeback-Album. Dauer: Gerade einmal 28 Minuten. Wenn ich dazu in der deutschsprachigen Wikipedia suche, dann finde ich zunächst ein paar Basisinformationen. Sehr gerne schaue ich auch mal in der deutschsprachigen Indiepedia vorbei, die bietet eine kompakte Bandgeschichte und Diskografie . Richtig spannend wird es aber auf den US-amerikanischen Seiten, schließlich kommen Weezer aus Los Angeles. In der englischsprachigen Wikipedia gibt es dann schon deutlich mehr Infos zur Entstehungsgeschichte des Grünen Albums.

Das Beste kommt heute aber zum Schluss: Wirklich und tatsächlich haben Weezer derart treue Fans und Bewunderer, dass sie auch über eines der besten und tollsten Wikis des Pop verfügen: Das trägt den passenden Namen Weezerpedia und ist schlicht und einfach top. Dank und Respekt an seine Schöpfer, einfach wunderbar! Wenn Ihr zu den Menschen gehört, die sich für die Geschichte des Grünen Albums und seine Demos interessieren, dann seid Ihr hier am Ziel. Da bleiben wirklich nicht viele Fragen offen, oder? Weezer und das Grüne Album interessieren Euch überhaupt nicht? Okay, aber vielleicht könnt Ihr dann selbst aktiv werden. Zum Beispiel in der deutschsprachigen Wikipedia. Die freut sich über neue Autoren und informative neue Seiten. Wie Ihr die schreibt, das erfahrt Ihr hier.

Thomas Backs

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