Geschrieben am 1. August 2012 von für Musikmag

TV Sound and Image: British Television, Film and Library Composers 1955 – 78

TV Sound and ImageGipfel der Lässigkeit

– Chillen muss möglich sein. Wer kann, nimmt auch in diesem Krisenjahr zwischendurch gepflegten Abstand. Musikalisches Hilfsmittel kann ein Debüt entspannt groovender New Yorker Hipster sein, die sich Friends nennen, oder das Mix-Tape des Jahres, das von den Foals stammt. Den Gipfel der Lässigkeit erklimmt, wer zum neuen Streich des Londoner Labels Soul Jazz Records greift. Ein Doppel-Album, prall gefüllt mit britischen Film-und Fernsehmelodien aus der Zeit von 1955 bis 1978. Von Thomas Backs

Lounge, Easy Listening und Jazz haben seit der Jahrhundertwende ein kleines Revival erlebt, zum Beispiel durch feine Sampler von Labels wie Blue Note Records. Warum nicht auch mal zu Film- und Fernsehmelodien relaxen, die seit den 1950er-Jahren lange die Medienwelt im UK bestimmt haben? Das funktioniert tatsächlich ganz wunderbar mit dieser liebevoll kompilierten Sammlung aus dem Hause Soul Jazz Records. „TV Sound and Image” vereint 36 musikalische Themen aus Film, Fernsehen und Radio, bis auf James Bond-Komponist John Barry sind die meisten Musiker heute eher unbekannt, vor allem außerhalb der Insel-Welt. Auch, wenn vereinzelt populäre Melodien wie „The Avengers” bzw. „The New Avengers Theme” (in Deutschland: „Mit Schirm, Charme und Melone”) zu hören sind. Oder ein Werk des Komponisten Simon Park erklingt, der mit „Eye Level” für die Detektiv-Serie „Van der Valk” einen Nummer 1-Hit (1973) in den britischen Top 40 schaffte. Dieser Millionen-Seller fehlt hier zwar, dafür erfreut das dramatische „Dawn to Dusk”. Eine weitere Perle kannte in England einstmals (fast) jedes Kind, sie stammt aus dem Jahr 1960. „At The Sign Of The Swingin‘ Cymbals” von Brian Fahey war lange Jahre Erkennungsmelodie für die von Alan Freeman präsentierten UK-Charts:

Ganz schön lässig, was diese Musiker in jenen Jahren mit ganzen Orchestern produzierten. Echos lange vergangener Zeiten, in denen TV und Dudelfunk tatsächlich noch Leitmedien waren und eben auch für den Soundtrack sorgten. Für „TV Sound and Image” konnte das Londoner Label jetzt auf die Schatzkammern von Musikbibliotheken wie KPM, De Wolfe, Bruton, Themes International, Peer International, Chappell oder Conroy & Amphonic zurückgreifen. Gegründet hatten sich viele von ihnen Anfang des 20. Jahrhunderts, um den steigenden Bedarf der Musiktheater und Kinos nach passender Musik zu decken.

Schon faszinierend: Ein Komponist wie Syd Dale lieferte mit Werken wie „Huckleberry Finn”, „Artful Dodger” oder dem immer wieder verwendeten „Man Friday” aka „The Penthouse Suite” Hits am Fließband, im Fachjargon fallen all diese unter das Label „Produktionsmusik” oder eben „Library Music”. Bildmaterial und Infos dazu liefert auch die edle Ausstattung dieses Doppel-Albums: Es erscheint mit einem 50-seitigen Booklet, exklusiven Fotos, Biografien und Linernotes von Stuart Baker (Soul Jazz Records) und Johnny Trunk (Trunk Records).

Nostalgiker und Geschichtsforscher werden vielleicht Freude daran finden, die Herkunft jedes einzelnen dieser hier 36 versammelten Themen zu analysieren. Verdenken kann es ihnen sicher keiner, zumal deutsche TV-Anstalten in ihren synchronisierten Versionen oftmals wirklich und tatsächlich die hier präsentierten Original-Werke durch andere Musiken ersetzen. Losgelöst aus der Historie lässt sich mit „TV Sound and Image” anno 2012 aber auch einfach ganz wunderbar entspannen. Der Gipfel der Lässigkeit, in der Tat.

Thomas Backs

TV Sound and Image. British Television, Film and Library Composers 1955 -78. Soul Jazz Records. Zur Website des Labels.