Geschrieben am 9. Februar 2011 von für Musikmag

The R. G. Morrison: Farewell, My Lovely

Wer als Hörer gern ernst genommen wird, der wird an dieser Platte seine Freude haben – ebenso wie unser Autor Tobi Kirsch.

The R. G. Morrison: Farewell, My LovelyAusgereiftes Songwriting mit der richtigen Prise Pathos

Diesen Singer/Songwriter habe ich seit mehreren Jahren nicht mehr wahrgenommen. Warum, kann ich auch nicht so genau sagen, jedenfalls ist er mir damals mit dem Album “Learning About Loathing” schon positiv aufgefallen, damals erschien das sehr reduzierte Folk-Album bei Drift Records. Das neueste Werk “Farewell, My Lovely” nun kommt mit ein wenig mehr Wucht daher. Was vor fünf Jahren noch mitunter zerbrechlich klang und vom Gesamteindruck vereinzelt schüchtern erschien, vor allem im Gesangspart, wird nun voller Stolz und Inbrunst dargeboten. Das ist schön so, stellt man doch als kritisierender Mensch gerne Entwicklungen bei den Künstlern fest, aus meiner Sicht natürlich lieber positive.

Kern dieser Scheibe bleibt die Vorliebe für das Pathos, dem ich grundsätzlich sehr zugeneigt bin. Dennoch liegt ein schmaler Grat zwischen den Polen Pathos und Schwulst, doch R. G. Morrison bekommt immer den richtigen Dreh, auf dieser Klippe nicht abzustürzen. Jedenfalls überteibt er es nicht, und dadurch kann man sich den Songs öffnen, ohne überfahren zu werden. Ich mag es, wenn der Künstler mich als Konsument ernst nimmt. Dazu gehört eine gewisse Lässigkeit in der Präsentation, in diesem Fall eine rauhe und unverfälschte Aufnahme, die auch kleine Ungenauigkeiten nicht einfach wegbügelt. Am langweiligsten sind doch die komplett durchgestylten Produktionen, die einem geradezu ins Gesicht schreien: “Hör mir zu, ich bin ein Hit”. Klar muss man den auch erstmal schreiben, interessanter sind aber immer noch die ‚Hits‘, die erst auf den zweiten oder dritten Durchgang zu einem werden. Leider erfordert das vom Konsumenten eine besondere Form des Hinhörens, die in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr vielen gegeben zu sein scheint.

R. G. Morrison rechtfertigt mit dieser Platte seinen guten Ruf, auch wenn man sich seiner Musik im richtigen Moment öfffen muss. Da reicht dann ein flüchtiger Höreindruck beileibe nicht aus. Wenn man diese kleine Hürde jedoch genommen hat, ergießt sich ein Quell wunderschöner Songs, die atmen und auch mit der Zeit zu wachsen verstehen. Das macht eben den Unterschied aus zwischen ‚reinen‘ Songwritern und Künstlern, die sich ihrer eigenen Handschrift sehr sicher sind. Und zu diesen gehört R. G. Morrison.

Tobi Kirsch

The R. G. Morrison: Farewell, My Lovely. Loose Music (Rough Trade).
Die Band auf Myspace. Zur Homepage von The R. G. Morrison.


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