Thank you for being fantastic
– Am 17. Oktober 1988 (gut, wenn man Eintrittskarten sammelt) war ich das erste Mal bei einem Konzert der Go-Betweens in Frankfurt in der alten Batschkapp. Damals war ich Student in Gießen und Fan von der zu dieser Zeit immer noch aufkommenden neuen hochinnovativen Gitarrenmusik aus England, den USA und insbesondere Australien und Neuseeland. Ich hatte die Go-Betweens erst in diesem Jahr mit ihrer vorläufigen Abschiedsplatte „16 Lovers Lane“ kennengelernt und sog ihren Backkatalog förmlich auf, denn das war und ist für mich das Beste, was es damals an Pop-Musik gab.
Heute, über ein Vierteljahrhundert später gibt es die alte Batschkapp nicht mehr und der Sinkkasten heißt jetzt Zoom. Ansonsten hat sich wenig geändert könnte man meinen, denn im Zoom gastiert heute Robert Forster, die überlebende Hälfte der Go-Betweens und mittlerweile so etwas wie der Elder-Statesman der Indie-Gitarren Musik. Ich bin mit den gleichen Freunden wie vor 27 Jahren da, im Publikum viele bei Konzerten früher oft gesehene Gesichter und dann diese großartige Musik – fesselnd, irgendwie eingängig aber doch so völlig eigen.
Über das tragische Ende der Go-Betweens im Jahr 2006 und Robert Forsters Solo-Wiedereinstieg mit „The Evangelist“ zwei Jahre später muss man sicher nichts mehr schreiben. Danach war er wieder lange verschwunden, er hat als Schriftsteller ein paar Sachen veröffentlicht und ab und an mal ein kleines Konzert gespielt, ansonsten weitestgehend Rückzug ins Privatleben.
Im September ist es dann endlich wieder soweit. Ein neues Album von Robert Forster, „Songs To Play“, erscheint bei Tapete Records und erfüllt alle Erwartungen. Es ist unverkennbar Robert Forster, der dort Musik macht, mit jungen Mitmusikern an seiner Seite und versehen mit der einen oder anderen neuen Facette.
Im Dezember ist er mit Gitarre auf Clubtour in Deutschland, nur begleitet von seiner Frau Karin Bäumler an Violine und Background-Gesang. Zunächst war ich etwas enttäuscht, da ein Band-Konzert scheinbar schöner gewesen wäre. Hier muss ich mich aber eines Besseren belehren lassen, auch in dieser Minimalkonstellation kann Robert Forster voll und ganz überzeugen. Er spielt neun von zehn Liedern der neuen Platte, zwei drei ältere Solosongs und viele Klassiker aus dem Robert Forster-Go-Betweens-Songbook. „Draining The Pool For You“, „Head Full Of Steam“ oder „The House That Jack Kerouac Built“ sind sicher Hymnen nicht nur meiner Studentenzeit. Und die schon spartanischen Go-Betweens-Versionen sind hier noch spartanischer dargeboten, aber sie funktionieren voll und ganz. Im proppenvollen Zoom kann man Streichhölzer fallen hören.
Forster praktiziert ein sehr rhythmus-geprägtes Gitarrenspiel, wodurch eine enorme Präsenz und Dynamik erzeugt wird. Dies wird kongenial ergänzt durch die pointierte Violine und den zart gehauchten Background-Gesang von Karin Bäumler. Auch die ausgefeilten Arrangements vom neuen Album kommen in den Solo-Versionen sehr gut rüber. Die Funk-Nummer „Learn To Burn“ behält genauso den Drive wie „Love Is Where It Is“ den Bossa-Nova-Groove der federnden Gitarre. „Let Me Imaginge You“ und „I Love Myself (And I Always Have)“ sind dann wiederum solch typische Robert-Forster-Nummern, wie sie auch auf einer alten Go-Betweens-Scheibe hätten sein können. Und dann noch „Songwriters On The Run“, die unprätentiöse Hommage an all die Songwriter-Duos dieser Welt „…and they had their songs to play“. Man sieht Greg McLennan förmlich vor sich. Oder dieses dich komplett einwickelnde „I’m So Happy For You“…hach… Völlig unberücksichtigt in der Setlist bleibt leider das ebenfalls wunderbare vorletzte Album „The Evangelist“. Aber vielleicht passen dessen eher zurückgenommene, den Tod von Grant McLennan verarbeitende Lieder nicht zum nach vorne gehenden Robert Forster des Jahres 2015. „Surfing Magazines“ und „Born To A Family“ sind die beiden letzten Nummern eines wieder einmal fantastischen Konzertabends mit Robert Forster.
Und entspannt ist er geworden, nette Begrüßungen und Späße mit dem Publikum war man von ihm in der Vergangenheit eher nicht gewohnt. Sogar am T-Shirt- und Plattenstand verteilt er nach dem Konzert bereitwillig Autogramme, übrigens diesmal mit seiner Tochter an der Seite.
Musikalisch gibt es für mich wenig Vergleichbares wie diese komplett zeitlose Musik mit schlauen Texten. Mit „Thank you for being fantastic“ bedankt sich Robert Forster beim strahlenden Publikum. Das gilt einmal mehr auch umgekehrt.
Wolfgang Buchholz