Geschrieben am 5. September 2015 von für Musikmag

Stagetime: Wilco in Vancouver, 12. August 2015, Orpheum Theater

Wilco_star warsChicago stars

Warum sollte man zum dritten Mal eine Kritik zu einem Wilco-Konzert schreiben? Ist nicht zu dieser Band schon alles gesagt? Was sollte es an neuen Erkenntnissen geben? Wer will das Lobgehudel schon wieder lesen?

Hier die Gründe dafür:

  • Wann hat man schon mal die Möglichkeit über ein Konzert in Vancouver zu schreiben?
  • Die neue, bisher kurzzeitig umsonst im Netz verfügbare Platte von Wilco ist wieder einmal ausgesprochen gut gelungen.
  • Wilco ist einfach eine meiner Lieblingsbands.

Also wieder einmal Wilco live. Das Konzert findet im Orpheum Theater, einem mondänen alten Theater in Vancouver Downtown statt. Das Publikum könnte altersmäßig auch ein Theaterpublikum sein. Allerdings gewandet in luftiger, legerer Sommerkleidung. Tickets gibt es leider nur noch für den Oberrang, d. h. relativ weit weg und hoch oben über der Bühne, was einem guten Sound erstaunlicherweise keinen Abbruch tut. Drinks bekommt man theatergemäß von livriertem Servicepersonal, aber nur bis zum Beginn der Headlinershow – es ist alles sehr gepflegt und gesittet hier in Kanada im Theater.

Pünktlich um 8 p.m. startet das fünfundvierzigminütige Vorproramm von Jenny Lewis und ihrer fünfköpfigen Band. Ich kenne die Künstlerin nicht, große Teile des Publikums allerdings schon, was an dem für einen Support-Act beachtlichen Jubel zu erkennen ist. Und auch mir gefällt das richtig gut. Ein Super Sound, wunderbare Gesangsharmonien und vor allem sehr eingängige Songs, radio-kompatibel, aber ohne platt zu klingen. Fleetwood Mac, Bangles oder Heart sind Assoziationen, die mir durch den Kopf gehen. Später sollte ich herausfinden, dass Jenny Lewis aus dem Saddle-Creek-Umfeld kommt, bereits vier Alben veröffentlicht hat und auch als Schauspielerin reüssieren konnte. Wirklich eine tolle Entdeckung im Vorprogramm, die Lust auf mehr gemacht hat.

Quelle Wikimedia Commons

Nachdem die Theaterglocke dreimal geschlagen hat, geht um kurz nach neun der zweieinhalbstündige, 31 Lieder umfassende Parforce-Ritt von Jeff Tweedy und seinen Mannen los. Der Einstieg besteht aus dem kompletten neuen Album „Star wars“, das offiziell noch nicht erschienen ist, aber für einige Tage „for free“ auf der Wilco-Seite zum Download bereit stand. Wohl dem Konzertgänger, der wie ich das wusste und sich die Platte somit schon besorgt hatte. Und ich hatte sie auch schon ausgiebig gehört, ist das doch die beste Wilco-Platte seit „Sky Blue sky“, und die anderen dazwischen waren wahrlich auch nicht schlecht.

Ohne eine Zwischenbemerkung spielt Wilco die Lieder der Platte in identischer Reihenfolge, und ich bin noch mehr begeistert als nach dem Hören der Platte. Insgesamt ist kaum ein schwaches Lied und mit „Random Name Generator“, „You Satellite“ oder „Taste The Ceiling” auch Material mit Potenzial zum Wilco-Klassiker dabei. Die Arbeit an seinem Solo-Album „Sukierae“ hat bei Jeff Tweedy wohl nochmal zusätzlich kreatives Potenzial freigesetzt. Nach der neuen Platte spielt die Band einen Querschnitt durch ihr gesamtes Schaffen, wobei ihre großen Alben „A Ghost Is Born“ und „Yankee Hotel Foxtrott“ mit jeweils fünf Songs besonders stark vertreten sind.

Gewohnt druckvoll und voller Spielfreude harmoniert die Band prächtig. Und im Zugabenblock setzen sie tatsächlich noch einen drauf. Mit einem kleinen Unplugged-Equipment positionieren sie sich am Bühnenrand und spielen weitere sechs Lieder in grandiosen abgespeckten Akustik-Versionen. Und zu „California Stars“, welches aus „Mermaid Avenue“ der Wilco – Billy Bragg Cooperation stammt, kommt auch Jenny Lewis und ihre Band noch einmal auf die Bühne. Standing ovations im Orpheum Theater in Vancouver für ein wunderbares Konzert. Es ist nach wie vor Verlass auf Wilco.

Wolfgang Buchholz

Foto: Wikimedia Commons, Author: Austin Nelson, Quelle.