Der wohlklingendste Ton ist oft die Pause
– Ein regnerischer Novemberabend in Münster, die Champions League verspricht heute eher langweilige Kost, jemand Musikinteressiertes ist zu Besuch und ein Babysitter ist auch verfügbar, da bietet es sich doch an, mal wieder ‚auf gut Glück‘ einen Abstecher ins Gleis 22 zu wagen. Auf dem Programm stehen die Indietronicer STRFKR aus Portland und die Münsteraner Band Them Cities als Support. Um es vorneweg zu nehmen, die Vorband hat mir deutlich besser gefallen als der Top-Act, das kommt auch nicht häufig vor.
Them Cities sind eine fünfköpfige Band, deren Mitglieder aus anderen Münsteraner Gruppen wie Lancaster, Green Apple Sea oder Stars Play Music bekannt sind. Und diese Erfahrung und Abgeklärtheit merkt man der Musik an. Sie spielen Lieder von hoher Melodiösität gepaart mit einer Vertracktheit der Rhythmik, die den Songs eine spürbare Spannung verleiht. Sehr trefflich ist der Gesang, der oft zweistimmig (Frau und Mann) ausgestaltet ist und in der Tradition von Bands wie den frühen Prefab Sprout, den mittleren Go-Betweens oder Belle and Sebastian steht. Filigran und gut aufeinander abgestimmt spielen auch die beiden Gitarren. Die Sängerin bedient noch ein Keyboard und trommelt bei einigen Liedern mit, was nicht weiter stört.
Etwas maulfaul, aber durchaus sympathisch reagiert der Sänger nur bedingt auf Publikumsreaktionen, zumindest erfährt man, dass die Lieder wohl alle nach Städten benannt sind. Was Them Cities im Gegensatz zu der folgenden Band STRFKR auszeichnet ist Transparenz und Differenziertheit. Man hört ab und an mal eine Pause, und auch in der Dynamik sind Unterschiede durchaus erkennbar. Kurzum ein wirklich toller 45-Minuten-Set von Them Cities, der Lust auf mehr macht. Auf Facebook ist bisher das Lied „Wellfleet“ als Demo verfügbar, diese Band lohnt es sich in jedem Fall weiter zu beobachten.
So ziemlich ohne Pausen kommt dann die zweite Kapelle des Abends aus, STRFKR brettern über eine Stunde weitgehend durch. Sogar zwischen den Liedern werden noch Gesprächsfetzen vom Band eingespielt. Drei Keyboards im vorderen Bühnenbereich verheißen schon nichts Gutes. Keyboardteppiche und -stakkato prägen dann auch einen Großteil der Lieder im Programm.
Richtig gut gefällt es mir, wenn, neben der ziemlich straighten Rhythmussektion, zwei Gitarren die STRFKR-Musik ausmachen. Das Songmaterial ist wirklich nicht schlecht, wird aber für meinen Geschmack durch zu viel Bombast oft zugekleistert. Bei den Pet Shop Boys klingt das live wahrscheinlich differenziert und gut, hier und heute ist das alles etwas viel Gewummer. Auch das Cindy Lauper-Cover „Girl’s Just Wanna Have Fun“ ist im Original knackiger. Und noch ein Manko gibt es: Ich bin durchaus ein Fan von hohen Männerstimmen, Neil Young, Robert Smith oder J. Mascis finde ich tipptopp. Aber die permanenten, auch noch durch Effekte verfremdeten Kopfstimmen von STRFKR sind auf Dauer etwas nervig.
Aber egal, dem Publikum gefällt‘s, und ich bin ja auch nicht der Präsident des Musik-an-den-Geschmack-des-Zuhörers-Anpassungsverein, sondern einer der vielen Schlaumeier im Publikum, die alle wissen, wie es richtig geht. Eine Spezies, die beim Fußballgucken übrigens noch häufiger vorkommt. STRFKR gehören sicher zu den Guten, die Songs sind es, die Arrangements nach meinem Gusto halt nicht. Weniger wäre hier durchaus mehr.
Nichtsdestotrotz, ein Abend im Gleis 22 ‚auf gut Glück‘ lohnt sich allemal, ich hoffe ich habe bei Gelegenheit mal wieder Zeit dafür.
Wolfgang Buchholz
Foto: Them City. Quelle: Soundcloud. Them Cities bei Facebook, Starfucker bei Facebook.