Geschrieben am 10. April 2013 von für Musikmag

Stagetime: Reggaeville Easter Special am 28.03.2013 in der Fabrik, Hamburg

Busy Signal, Foto: Leon Mybes

Busy Signal, Foto: Leon Mybes

Why not start Easter with Reggae Music?

Um mit den gebührenden Vibes in das Osterfest herein zu feiern, veranstaltete das Reggaeville-Magazin am 28.03 das „Reggaeville Easter Special” in der Hamburger Fabrik. Gleich zwei Konzerte plus eine Aftershowparty mit besonderem Gast erwarteten das sich dicht an dicht drängende Publikum in der nahezu überfüllten Hamburger Fabrik, in der sich auch Julian Klosik befand.

Gestartet war die Promotionsphase der Veranstaltung mit schlechten Nachrichten: Einer der beiden eigentlich geplanten Hauptacts – Anthony B – konnte wegen eines offenen Gerichtsverfahrens im US-Bundestaat Georgia nicht rechtzeitig in Europa einreisen, so dass er neben einigen Konzerten seiner „Staying Alive“-Tour auch seinen Auftritt beim Reggaeville Easter Special absagen musste.

Erst wenige Tage vor der Veranstaltung wurde dann der Ersatz bekanntgegeben: Perfect Giddimani, der von der österreichischen House of Riddim-Band gebacked werden sollte. Österreichs bekannteste Reggae-Band in der Besetzung Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboards wird regelmäßig auf europäischen Festivals und Europa-Konzerten international bekannter Reggae-Artists als Backing Band gebucht und beherrscht routiniert die verschiedensten Reggae-Genres.

Nachdem man ein ca. 20-minütiges Schlange stehen überstanden hatte und einem bewusst wurde, dass die Fabrik tatsächlich bis zum äußersten Rand gefüllt war, fing nach einem kurzen Warm-Up von Silly Walks Discotheque – dem Hamburger Soundsystem, heute bestehend aus Gründungsmitglied Oliver Schrader (Selector) und Joscha Hoffmann (MC), dass seit mehr als 20 Jahren an der Entwicklung einer deutschen Reggae-Szene entscheidend beteiligt ist (zuvor als Silly Walks Movement) – bereits die House of Riddim Band an, Perfects Auftritt instrumental einzuleiten.

Perfect Giddimani, Foto: Leon Mybes

Perfect Giddimani, Foto: Leon Mybes

Zu einem smoothen Intro erklang dann die Stimme Perfects, der sich noch hinter der Bühne befand, um sein energiegeladenes Erscheinen, das auch die Band mit einem Tempowechsel und gesteigerter Intensität hervorragend mittrug, entsprechend vorzubereiten. Schon bei diesem ersten Hit-Song „Rasta Rebel“ präsentierte Perfect seine besondere Stimme und sein großes Gesangstalent.

Ohne Pause folgte mit „Hold on Buju“, einer der vielen Songs, die das Durchhaltevermögen des inhaftierten Artists Buju Banton stärken sollen. Neben schönem Gesang zeigte Perfect mit Songs wie „Bomboclaat“, dass er auch die Fähigkeit zum dancehalltypischen Abfeuern von Wortsalven mit eigenem Flow beherrscht. Die 60-minütige Show inklusive der größten Hits seiner bisherigen Karriere „Handcart Bwoy“ und „Nuh Badda Mi“, die vom Publikum durchgängig mitgesungen wurden, stoppte zwischenzeitlich für eine, den Song „Laugh“ ankündigende Ansage Perfects:

„They say that Snoop Dogg has turned into Snoop Lion … hmm … Who the Cap fit, let them wear it. But let me ask you three questions: How can plastic turn into iron, how can hell turn into heaven or zion, so how can a dog turn into a lion?”

Perfect Giddimani, Foto: Leon Mybes

Perfect Giddimani, Foto: Leon Mybes

Während Snoop Doggs Ausschlachtung von Rastafari-Stereotypen zu Marketingzwecken (siehe z.B. CM-Jahreshighlights 2012, Teil II, hier)  unter jamaikanischen Rastas deutlich mahnende Reaktionen ausgelöst hat (so wurden etwa sofortige Ablegung des Namens „Lion“ und öffentliche Entschuldigung gefordert), ist Perfects entspannte Reaktion ein herzliches Lachen, verpackt in einem treibenden Song, der natürlich mehr als nur Snoop Lion thematisiert und es zwischenzeitlich an die Spitze der deutschen Reggae-Charts geschafft hat.

Die nach Perfects gefeierter Show folgende lange Pause füllte wieder Silly Walks Discotheque, die sowohl neueste Dancehall- und Pop-Reggae-Tunes, als auch klassischen Roots-Reggae auflegten und damit die Wartezeit auf den Auftritt Busy Signals und der Hi Voltage Band verkürzten.

Zur Erinnerung: Busy Signal, bekannt geworden durch lyrisch talentierten Hardcore-Dancehall, legte mit „Reggae Music Again“ das wohl beste Reggae-Album 2012 vor, das auf beeindruckende Weise alte und moderne Produktionsweisen ebenso wie alte und moderne Sounds und Stile des Reggae verbindet (zur Rezension, hier) und spielte nun seine erste Europa-Show seit seiner Haftentlassung (er verbüßte eine sechsmonatige Haftstrafe wegen Kautionsflucht in den USA, was ihm vor allem am Gewichtsverlust anzusehen war) im November letzten Jahres.

Nachdem man die mit Busy Signal zusammen aus Jamaika eingeflogene Hi Voltage Band schon eine Weile beim Soundcheck beobachten konnte, war es um 23:15 Uhr soweit: Busy Signal stürmte mit einer Melange dreier seiner bekanntesten Hardcore-Dancehall Hits – „Step Out“, „Anger Management“ und dem Überhit „Badman Place“ – die Bühne und gab von Anfang an alles, um der Massive (=dem Publikum) einzuheizen. Wer hier auf sanftere Roots-Reggae-Klänge seines letzten Albums gehofft hatte, war wohl leicht geschockt.

Besonders interessant ist bei Reggae Konzerten generell, wie die jeweilige Band es schafft, derartige Dancehall-Tunes, die eigentlich völlig elektronisch produziert sind, live umzusetzen. Die Hi Voltage Band mit Lamont Savory an der Gitarre, Kirk Bennett am Schlagzeug (beide wirkten auch am letzten Album mit), Aeion ‚Yaaka‘ Hoilett am Bass und Brenton Messado an den Keyboards meisterte eben das hervorragend und zeigte ihre Vielseitigkeit sowohl bei Dancehall-Tracks, als auch bei der später folgenden Roots-Reggae-Einlage sowie Klassikern wie „Oh When The Saints“ (das überraschenderweise gecovert wurde) und „Rivers of Babylon“ – hierzulande wohl eher durch Boney M. bekannt, aber eigentlich ein jamaikanischer, viel gecoverter Klassiker von den Melodians.

Busy Signal, Foto: Leon Mybes

Busy Signal, Foto: Leon Mybes

Busy Signal zeigte mit der Hi Voltage Band eine ganze Bandbreite von Genres, die er beherrscht, überzeugte lyrisch und flowtechnisch, brachte viele seiner älteren Hits unter und hatte dabei eine beachtenswerte Bühnenpräsenz, wobei sein lyrisch-technisches Talent vor allem während des Songs „Too Much Gun“ zum Ausdruck kam, bei dem er sich mal nur von Schlagzeug, mal nur von Bass und Gitarre begleiten ließ und dennoch seine Zeilen in atemberaubender Geschwindigkeit rhythmisch sicher vortrug.

Ein Kritikpunkt muss jedoch auch erwähnt werden: Es fehlten zu viele der großartigen Songs von „Reggae Music Again“. Der Titeltrack wurde vom Publikum problemlos mitgesungen, was sicher auch bei den meisten anderen Songs des Albums funktioniert hätte. Womöglich lag das Auslassen vieler Songs aber an den fehlenden Bläsern – einige Bläsermelodien übernahm zwar Keyboarder Brenton Messado, doch die essentiell auf Bläsern basierenden Songs wurden weggelassen.

Den Abschluss seines 75-minütigen, mitreißenden Konzertes bildete ein mit voller Überzeugung und voller Ernsthaftigkeit vorgetragener Song, der für Busy Signal natürlich besondere Bedeutung hat – „Nah Go A Jail Again“.

Silly Walks Discotheque begannen nun ihre Aftershowparty, die neben interessanter Selection von Dancehall über klassischem Roots-Reggae – leider waren gerade hier einige Songs derart hochgepitcht, dass die Stimmen kaum noch zu erkennen waren – bis zu modernem Roots-Revival, noch einen Überraschungsgast beinhalten sollte:

Kein geringerer als der wohl bekannteste deutsche Reggae-Star Gentleman ließ sich von der völlig euphorischen Massive begrüßen und spielte gebacked von Silly Walks eine sehr kurze, aber intensive Show. Zugegeben: Nachdem klar war, das es einen Special Guest geben würde, war die Überraschung nicht völlig unvorhersehbar, war doch Gentleman in den Anfangsjahren von Silly Walks am Mikrophon fester Bestandteil der Formation.

Auch im Anschluss trugen mal sanfte, mal bassig-drückende Reggae-Klänge der schier nicht enden wollenden Aftershowparty das Publikum, in der immer noch gut gefüllten Fabrik, in die Morgenstunden des Karfreitags. Ein tatsächlich spezieller Start in das Osterwochenende.

Julian Klosik

Zur Website von Perfect Giddimani, zur Facebook-Präsenz von Busy Signal, zum Webauftritt von Silly Walks Discotheque, zur Homepage von Gentleman, zur Website des Reggaeville-Magazins.

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