Geschrieben am 11. Juni 2014 von für Musikmag

Stagetime: Bill Pritchard, 26. Mai 2014, Bremen Kultureinrichtungshaus DETE

billpritchardSamstags im Plattenladen und Montags im Möbelhaus

– Anfang April, Samstagnachmittag in Münster: Unser Bassist, wegen eines Gigs am Abend in der Stadt, mein vierjähriger Sohn und ich wollen im ortsansässigen Plattenladen „Jörg’s CD-Forum“ etwas abhängen und rumstöbern. Mein Sohn steuert zielstrebig auf einen der dort installierten Kopfhörer mit den Neuerscheinungen zu und hört sich die dort ausgestellte Platte an. Nach kurzer Zeit hat er keine Lust mehr und will zur Kinder-CD-Abteilung. Ich übernehme den Kopfhörer und lausche einmal in das Album rein. Wow, das klingt ja beim ersten Eindruck schon sehr schön. Wer ist das? Bill Pritchard? Irgendwo schon mal gehört aber sagt mir nicht richtig etwas. Auch das kurze Reinhören in die nächsten Songs geht vielversprechend weiter. Ich nehme die Platte mit und wenige Tage später bin ich sicher: Das ist die Neuentdeckung, ja sogar die Lieblingsplatte, im Frühjahr 2014.

Völlig zeitloser, tiefenentspannter Singer-Songwriter Gitarrenpop, irgendwo im Orbit zwischen Grant McLennan, Lloyd Cole und dem Teenage Fanclub angesiedelt, also kurz gesagt genau meine Kragenweite. Zehn Songs, kein Ausfall, tolle Stimme, passgenaue Arrangements, vier bis fünf richtige Hits – was will man mehr. Das Album handelt von einer Reise durch England von „Trenton“, der Heimat von Pritchard, im ersten Song, bis zum Titeltrack „A Trip To The Coast“ am Ende der Platte. Songtitel wie „Yeah Yeah Girls“ sind natürlich auch kaum zu toppen. Zwischen 1987 und 2005 hat Pritchard sieben Alben veröffentlicht, alle bedauerlicherweise an mir vorbeigegangen. In den letzten Jahren hat er wohl keine Gitarre mehr angefasst, bis kürzlich sein alter Kumpel Tim Bradshaw wieder in seine Heimatstadt kam. Zusammen haben sie dann das neue Album aufgenommen und wirklich einen Treffer gelandet.

Ende Mai, Montagabend in Bremen:

Bill Pritchard ist im Mai tatsächlich auf einer kleinen Deutschland-Tour und spielt in der Neustadt in Bremen im Kultureinrichtungshaus DETE, einem sehr gemütlichen, in einem ehemaligen Möbelhaus angesiedelten Laden. Und so mache ich mich an einem Montagabend auf den Weg nach Bremen, um auch das Live-Erlebnis Bill Pritchard zu erkunden. Natürlich in der Hoffnung, dass es dort noch alte Platten zu erstehen gibt, die über reguläre Wege leider kaum noch zu bekommen sind. Ca. dreißig Zuschauer bevölkern das DETE, darunter auch Fußball-Kultur-Ikone Arnd Zeigler, der Bill Pritchard tags drauf bei Radio Bremen zu einem Radio-Konzert eingeladen hat und der ein Fan der ersten Stunde ist. Im DETE spielt Bill Pritchard ein Akustikset zusammen mit seinem Gitarristen Mike und fühlt sich sichtlich wohl. Es geht los mit dem Uralt-Lied „We were lovers“, das ich nicht kenne, das mich aber unmittelbar in seinen Bann zieht.

Das passiert an dem Abend noch häufiger bei Songs wie „Invisible state“ oder „Angelique“. Er erzählt, teilweise in gutem Deutsch, Geschichten rund um seine Lieder. So z.B. zu einem zwanzig Jahre alten Lied über die Commerzbank in Bonn, wo er einmal studiert hat. Er ist erstaunt darüber, dass es die Commerzbank doch tatsächlich auch heute noch gibt. Oder er plaudert über seine Heimat die Midlands und die Stadt Stoke. Er spielt vieles vom neuen Album und diverse andere, wahrscheinlich alte Lieder – leider kenne ich bisher nur die neue Platte. Einige davon in Französisch, die aus einer Kooperation mit dem im letzten Jahr verstorbenen französischen Singer-Songwriter Daniel Darc stammen. Ein sehr gelungenes Cover „Curley“ von Roy Wood (The Move, ELO, Wizzard) hat er auch im Programm. Am Ende verabschiedet er sich von jedem Zuschauer per Handschlag, eine schöne wertschätzende Geste gegenüber dem Publikum.

Die Reise nach Bremen hat sich also allemal gelohnt. Ein feines Konzert von einem zu unrecht wenig bekannten Singer-Songwriter in einem wirklich nett aufgezogenen Laden. Hoffentlich bleibt das DETE der Stadt Bremen auch zukünftig erhalten. „A Trip To The Coast“ wird für mich in jedem Fall ein treuer Begleiter für den kommenden Sommer werden.

Wolfgang Buchholz

Bill Pritchard: A Trip To The Coast. Tapete (Indigo).

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