Geschrieben am 4. Mai 2011 von für Musikmag

Soundcollage: Zweimal Diskursrock, bitte!

Kreisky aus Wien und Pendikel aus Osnabrück sind zwei der besten zeitgenössischen deutschsprachigen Bands, und beide legen jetzt ihre neuen Platten vor. Tina Manske hat reingehört.

Kreisky: TroubleScharfe Duelle

Irgendwo las ich neulich die schöne Meinung, dass die Österreicher nicht nur die besseren deutschen Filme, sondern auch die bessere deutsche Musik machen. Ja, Panik sind dafür ein Beispiel, doch die sind mittlerweile wie alle anderen auch in die deutsche Hauptstadt gezogen und werden sicherlich als nächstes ein Berlin-Album machen. Ein anderes Beispiel sind Kreisky, und die leben immer noch in Wien. Sowas braucht man, eine solche Stimme aus der oftmals behäbigen Kaffeehausstadt, aus einem Land, das sich mit der FPÖ noch einen echten Faschistenverein leistet.

Auf ihrem neuen Album „Trouble“ schrammeln die Gitarren wieder gewohnt dreckig, brüllt sich Sänger Franz Adrian Wenzl seine Wut aus dem Bauch, gibt es schöne schmutzige sprachliche Bilder in den Texten, wird Klartext geredet. Kreisky erzeugen eine seltsam gruselige Stimmung, weil sie keinen Platz lassen für die Lebenslügen. Ja, sie können auch nerven, aber nie so, dass man abschaltet. Kreisky – oder das Ich, das sie in ihren Texten auftreten lassen – sind dagegen, egal gegen was. Die Frustration, die uns alle gelegentlich packt, wird hier in Energie verwandelt, wie es in „Schließ Frieden“ heißt. Vom Frieden mit sich und der Welt sind Kreisky allerdings weit entfernt.

So oft wird von der Zukunft des Rocks geredet, hier kann man sie hören, ganz ohne Kunstnebel und Pyromanie, einfach nur mit schlauen Tempowechseln und Gitarren, die Wenzl mal unterstützen, sich aber auch manchmal scharfe Duelle mit ihm liefern. Bei den Konzerten sind unbedingt Ohrstöpsel angeraten, wenn man keine Hörschäden riskieren will.

Kreisky: Trouble. Buback (Indigo).
Die Website der Band. Kreisky auf Myspace und bei Facebook.

Pendikel: PendikelandEigenes Reich

Wut haben Pendikel aus Osnabrück auch, aber sie kanalisieren sie anders. Wo Kreisky ihr Heil im Geschrei und in meterdicken Noisewänden suchen, klimpert bei Pendikel ein Klavier und sorgt Sänger und Songwriter Carsten Sandkämper mit seiner leidensfähigen Stimme für textliche Schwergewichte.

Ihr neues Album „Pendikeland“ ist sogar ein Konzeptalbum, aufgeteilt in vier Akte. Aber was heißt schon Konzeptalbum: Pendikel errichten auch auf ihrer mittlerweile fünften Platte ihr ganz eigenes Reich. Die Szenen könnte man chronologisch rezipieren, es geht aber auch räumlich, wie die Zeichnung im Booklet beweist, die jedem Song einen Punkt auf einer imaginären Landkarte – eben dem ‚Pendikeland‘ – zuweist.

Auch bei Pendikel schrammeln die Gitarren häufig, doch sie setzen weniger auf den Krach an sich, sondern auf Verbindungen, inter- und metatextuell und auch musikalisch. Näher wie Pendikel bei „Zäune“ ist eine deutsche Band dem Sound von The Mars Volta zum Beispiel wahrscheinlich noch nicht gekommen. Aber Pendikel haben auch genug Humor, um mal Rockklischees zu zitieren (das „Heyheyhey“ in „Der mit dem Hammer“). Insgesamt ein wirklich sympathisches und fast schon seelisch aufgeräumtes Album.

Pendikel: Pendikeland. Blunoise (Al!ve).
Die Band auf Myspace sowie bei Facebook. Die Homepage von Pendikel.

Tina Manske

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