Klangflächen
– Klaus Schulze kann gar nicht anders. Bereits in seinen frühen Zeiten als Wegbereiter der elektronischen Musik mit seinen Projekten Ash Ra Tempel und Tangerine Dream liebte der Berliner die langen Kompositionen. Zeit scheint für ihn nichts zu sein, das man verlieren kann, man muss sie sich nur nehmen. Mit seiner neuen CD „Shadowlands“ öffnet Schulze mittels seines Synthesizers weite, lang auslaufende Klangflächen. Drei Stücke sind auf dem Album enthalten, alle übersteigen die 20-Minuten-Grenze.
Die Platte ist ein Teppich, auf dem der Hörer sanft durch mysteriöse Himmel gleitet. Dazu passen die weiblichen Vocals (u. a. von Lisa Gerrard von Dead Can Dance), die – an selige Ofra-Haza-Zeiten erinnernd – gesamplet über den Dingen schweben. Damit schließt die Platte an die vorhergehenden Produktionen (z. B. „Farscape“, ebenfalls mit Lisa Gerrard) an. Das ist alles extrem beruhigend und senkt den Puls auf gesunde Werte. Kein Wunder, dass Christopher von Deylen aka Schiller, der bisher ja nicht eben mit tiefschürfenden Kompositionen aufgefallen ist, als einer der größten Fans gilt und auch gleich die Linernotes verfassen durfte.
Ab und an hätte aber ein wenig mehr Schmiss und Biss „Shadowlands“ nicht geschadet.Es fehlt das überraschende Moment, die kathartische Übertretung, alles wird genau so geliefert, wie man es von Schulze gewohnt ist – so wirkt die Platte leider ein wenig bieder und wie für den mittelmäßigen Yoga-Abendkurs konzipiert. Sicher haben die wenigsten von „Shadowlands“ eine wirkliche Erneuerung des Sounds erhofft, und das Wiedererkennen im Altbekannten kann ja auch ein Glücksgefühl auslösen, aber nach wiederkehrenden Verschiebungen des Album-VÖs und einer wachsenden Spannung in der Fangemeinde hatte man doch etwas mehr erwartet. Wer trotzdem zugreifen will, sollte sich die Bonus Track Edition sichern, auf der man zwei weitere Titel erhält und mit „The Rhodes Violin“ den sicherlich interessantesten Track – eine über 50 Minuten lang Meditation, die auch zu Umwegen bereit ist.
Unheimlichkeiten
Dass er allerdings auch auf altbewährten Pfaden wandeln kann, ohne langweilig zu werden, zeigt Schulzes schon etwas in die Jahre gekommene Komposition „Picasso geht spazieren“, die bereits im letzten Jahr als Vol. 12 der Reihe „La Vie Electronique“ beim Label MIG wiederveröffentlicht wurde, zusammen mit dem Stück „The Music Box“. Letzteres entstand als „Meditation I“ 1993; Schulze schenkte es den Guttemplern, einer Organisation, die sich um Alkoholiker kümmert.
Herausgeber Klaus D. Mueller erfand den Titel „The Music Box“, der sich auf den gleichnamigen Film mit Oliver Hardy und Stan Laurel bezieht. Auch hier ist die lange Bewegung vorherrschend, geht alles ineinander über, aber doch mit sehr viel mehr Variation, mit mehr Perkussion. Das Klischee, auf „Shadowlands“ niemals weit entfernt, vermeidet Schulze hier vollkommen.
Das bereits erwähnte „Picasso geht spazieren“ ist Schulzes bisher längste Komposition. Ursprünglich war es als Filmmusik gedacht, doch als der Produzent nicht zahlen konnte, zog Schulze seine Beteiligung zurück. Das Stück, eingeteilt in „three movements“, überzeugt insbesondere durch seine großzügig verteilten und die Musik in verstörende Unheimlichkeiten tauchenden Samples, die sich durch alle „movements“ ziehen. Hier scheint Schulze tatsächlich ganz bei sich.
Tina Manske
Klaus Schulze: Shadowlands. SPV.
Klaus Schulze: La Vie Electronique Vol. 12. MIG (Sony). Zur Homepage.