Geschrieben am 25. März 2004 von für Musikmag

Polka Fever. American Polka – Old Tunes & New Sounds

Grandiose Sammlung abseits der Pop-Industrie

Allein schon diese 25 Titel zum Thema auf einer CD versammelt zu haben, ist eine dankenswerte Leistung, weil sie abseits der Pop-Industrie Musik hörbar macht, die Menschen gerne hören.

Christoph Wagner ist der Mann, der alles über Akkordeons und Akkordeon-Musik weiß, vielleicht sogar noch mehr als E. Annie Proulx. Deswegen ist es nur logisch, dass er bei Trikont eine grandiose Sammlung von Polkas herausgegeben hat, so wie man sie in den USA hören konnte und kann. Denn die Polka lebt vom Akkordeon und das Akkordeon macht die Polka noch irrwitziger als sie als musikalische Form eh schon ist. In der Regel. Und nicht mehr unbedingt. Denn wie obsessiv durchgeknallt sich Polkas anhören, die die gute, alte Quetschkommode durch E-Gitarren ersetzt haben, auch das bezeugt am Beispiel der „Polkaholics“ aus Chicago die Sammlung „Polka Fever“ sehr schön.

Dennoch, das Akkordeon ist schon das verbindende Instrument, das den Tanzgenerator im 2/4-Takt so richtig anheizt, sei es in der eher deutschen, der eher polnischen und den eher sowieso völlig durchgemischten mexikanischen und kolumbianischen Traditionen, die man ihrerseits alle auf Europas u-musikalischen Beitrag zur amerikanischen (Nord,- Süd- und Mittel-) populären (nicht: Pop-) Musik bezeichnen kann. Das Akkordeon war das Instrument der kleinen Leute, und die Polka ist deren Musik immer noch. Und wieder, eben weil sie so ein begnadeter Kommunikator ist – zwischen den Ethnien und zwischen den Menschen, die nicht auf Distinktionsgewinne innerhalb der sozialen Schichtungen aus sind. Klassiker finden wir auf dieser schönen CD, wie „Anselma“ von meiner absoluten Lieblingsband „Los Lobos“ aus East L.A., wir hören den großen Narciso Martínez, bedenklich verschrobenes wie die „Polnish Muslems“ und weit ins Gaga Reichendes wie „You can`t teach the Japanese to Polka“ von einer gefährlich klingenden Horde namens „The Happy Schnapps Combo“. Und es gibt, neben den schon erwähnten „Polkaholics“ noch eine Truppe, die deutlich Polka auf Speed herstellt: „Brave Combo“ mit der ziemlich halluzinogen wirkenden „Jimi Hendrix Polka“.

Da gibt`s nur zwei Möglichkeiten für Hinterher: Entweder man hat gute Laune oder Kopfschmerzen. Anyway, allein schon diese 25 Titel zum Thema auf einer CD versammelt zu haben, ist eine dankenswerte Leistung, weil sie abseits der Pop-Industrie Musik hörbar macht, die Menschen gerne hören.

Von Thomas Wörtche

Polka Fever. American Polka – Old Tunes & New Sounds. Hrsg. von Christoph Wagner. Trikont, US-289, ASIN: B00005Y3JZ