In Schale geworfen
Fünf Dänen liefern den Soundtrack des Frühjahrs mit Pop-Perlen von beeindruckender Schärfe und Prägnanz. Von Tina Manske
Ein kleiner Junge wird in einem Krankenhaus sich selbst überlassen und beobachtet die Szenerie. Beim Betrachten der Schwestern in ihren Kitteln überkommen ihn Ur-Fantasien sexueller Art, vielmehr erschafft er sie sich selbst, und wir dürfen ihm dabei zusehen. Das Video zu „Swim“ von Oh No Ono ist ein halber Lehrfilm für künftige Psychoanalytiker, Stanley Kubrick hätte es nicht besser machen können als Regisseur Adam Hashemi.
Und dazu noch diese Musik. Stellt man sich vor, Animal Collective würden plötzlich wieder im Sandkasten sitzen und sich mit Eimerchen bewerfen oder aber MGMT würden im Foyer der Oper stehen – so oder so kommt man zu Oh No Ono und ihrem überwältigenden Debüt „Eggs“. Man hat ja so einiges erwartet für diese Frühjahr, aber dass ein dänisches Quintett all die Pop-Prinzen aus Großbritannien und anderswo locker in die Tasche stecken würde, das nun doch nicht.
Oh No Ono lassen kein Pop-Zitat aus – in ihrer Musik finden sich Spuren von Psychodelia ebenso wie von Dream-Pop, Beatlemania, ja sogar von Klassik und gefühlten tausend anderen Spielarten. Das Tolle aber ist, dass sie all diese Einflüsse bündeln und mit atemberaubenden Arrangements versehen. Dazu kommen trickreiche Rhythmusstörungen, Feldaufnahmen, Triolen-Kapriolen.
Perfekter Pop
„Beelitz“ ist tatsächlich im gleichnamigen brandenburgischen Ort entstanden, in einem alten Militärkrankenhaus aus dem Zweiten Weltkrieg. „Wir mussten da einbrechen und es war sehr kalt, aber die Atmosphäre und die Akustik waren wunderbar“, sagt die Band dazu. Wahrscheinlich war diese tolle Atmosphäre der Grund, weshalb sie mit diesem 11-Minüter gar nicht zum Ende kommen wollen. Der Hörer übrigens auch nicht. Dazu ist dieser perfekte Pop mit Anklängen an die frühe Kate Bush viel zu ausgeklügelt.
Das absolute Pop-Meisterwerk haben Oh No Ono allerdings mit „The Wave Ballett“ vorgelegt. Im Aufmacher dieses Songs singen Freunde der Band in einer 300 Jahre alten Kirche, und genauso feierlich, wie es diese Voraussetzungen nahelegen, klingt es dann auch. Wenn dann die Flaming-Lips-Rememberance-Keyboards einsetzen und sich zum Refrain steigern, wenn der Falsett-Gesang im Chorus einsetzt, werden jede Menge Glückshormone freigesetzt.
Wie gesagt, Oh No Ono lassen nichts aus. Selbst der uralte vergessene Yahoo-Jingle erlebt hier seine Wiedergeburt („The Tea Party“). Da eh grade Osterzeit ist, sollte man sich unbedingt diese „Eggs“ ins Nest legen lassen.
Tina Manske
Oh No Ono: Eggs. The Leaf Label (Vertrieb: Indigo).