Geschrieben am 15. April 2015 von für Musikmag

Mohr Music: Pretty in Pink

golly goshPretty in Pink

Pink als typische Girlie-Lillifee-Farbe? Nicht unbedingt, wie zwei aktuelle Platten zeigen…

Sehr gut möglich, dass frau die Stimme von Jemma Endersby schon öfters gehört hat, und zwar als Backgroundsängerin von Max Herre, Paul van Dyk, Rea Garvey und den Fantastischen Vier. Nach so vielen „Fremdeinsätzen“ war ein eigenes Album der in Deutschland lebenden Britin längst überfällig: Jetzt ist „Golly Gosh!“ draußen und überzeugt auf ganzer, pinkfarbener Linie. Wobei „pink“ bei Jemma Endersby nicht heißt, dass sie auf derselben pseudo-ironischen Powerpop-Schiene fährt wie Meghan Trainor (worauf frau angesichts des Stylings ja kommen könnte), die bei aller Resolutheit so zeitgemäß rüberkommt wie Mama Hesselbach.

Jemma Endersby ist anders, vielleicht auch weil sie die englische Pop-Schule verinnerlicht hat. Ihre eigenen Songs versprühen den Geist der Spice Girls, Bananarama, Altered Images: Ja, das ist bunt, knallig und absolut catchy – die Refrains von „Let You Go“, „Hard to Find“, „Bubble“ oder dem HipHop-inspirierten „Coolest Chick“ singt frau sofort lautstark mit, getanzt wird sowieso. Und auch wenn Endersby vor allem in den Balladen („Creeping Arms of Love“, „Spiderman Song“) gern eine nostalgische Note unterbringt, ist die Produktion insgesamt total modern, nicht gewollt-gestrig. Die Lyrics verbreiten eine sehr sympathische, tendenziell selbstzweiflerische Haltung, die einen schönen Kontrast zum Hoppla-hier-komm-ich-Covermotiv.

www.youtube.com/watch?v=rqOQLWK_Eag

Jemma Endersby: Golly Gosh! (Monohausen/Groove Attack). Zum Facebookprofil.

green_growupKalifornisch-sonnendurchfluteter Drive

Auch zumindest äußerlich sehr pink kommt Colleen Greens neues Album daher, das aber schon qua Titel-Typo an die kalifornische Punkrockband The Descendents erinnert – die rein zufällig die erklärten Helden der ebenfalls aus Kalifornien/Los Angeles stammenden Green sind. Ihr erstes Album nannte Colleen daher auch „Milo Goes to Compton“, angelehnt an die berühmteste Platte der Descendents, „Milo Goes to College“. Auch ihr drittes Album variiert einen Descendents-Titel, entgegen des ewiggültigen Punk-Credos, nicht erwachsen werden zu wollen (nicht nur die Descendents, siehe auch: Tom Waits bzw. The Ramones, „I don’t wanna grow up“) wünscht sich die Gitarristin und Sängerin nichts sehnlicher, als endlich groß zu sein: Das schiefe Partyhütchen und die nervige Kindergeburtstagsszene auf Front- und Backcover sprechen Bände, Colleens Musik erledigt den Rest.

Mit kalifornisch-sonnendurchflutetem Drive brettert sie durch ihre hymnisch-euphorischen Songs aus Pop, Punk und Noise, die – klar – an die Descendents erinnern, aber auch an Juliana Hatfield oder Throwing Muses. Inhaltlich widmet sie sich den Dingen, die dir deine Eltern verbieten („Things That Are Bad For Me, Pts. I & II“), ist mal total unschlüssig, was aus ihr und ihrem „shitty and bore“ Leben bloß werden soll, um an anderer Stelle deutlicher zu werden, als bereits erwähnte Eltern sich das wünschen („I wanna do drugs right now“). Fernsehen ist immer eine Option („TV’s my best friend“), denn die Freunde sind keine wirkliche Hilfe („I don’t take advice from fools“, „Whatever I want“), ADHS hat sie vielleicht auch noch („I can’t pay attention“). Nach dem ganzen Mist der Jugendzeit ist das Erwachsenendasein aber auch nicht besser, das weiß Colleen Green natürlich – was tun? Feiern, trinken, Moshpit-Pogo, fantastisch, auch in pink!

Colleen Green: I Want to Grow Up (Hardly Art/Cargo). Zum Facebookprofil.

Christina Mohr

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