„Zum Glück treten die zu viert auf!“, stoßseufzte Freundin X. vor Christiane Rösingers Konzert in Frankfurt, und fügte hinzu: „Duos sind für mich gar keine richtigen Bands. Ich steh‘ auf eine komplette Besetzung – nur zwei Leute sind zu wenig. Auch die Pet Shop Boys und die White Stripes lassen mich echt kalt.“ Wie unterschiedlich die Geschmäcker doch sind – eure Kolumnistin findet minimalistische Zweiergespanne im Pop ja gerade deshalb interessant, weil eben nicht die klassische Rock-Besetzung Schlagzeug-Bass-Gitarre-Gesang dargeboten wird. Duos müssen sich was einfallen lassen und ja, es kommt auf jede Hälfte des Duos ganz besonders an. Vielleicht wäre ein Abend mit Christiane Rösinger (Gesang) und Andreas Spechtl am Klavier allein viel zu melancholisch geworden, vielleicht hätte das gesamte Publikum geweint und nicht nur einige Besucher, wie geschehen am vorletzten Samstag. Denn zugegeben, das Konzert zur „Songs of L. And Hate“-Platte geriet durch die Unterstützung von Schlagzeuger und Gitarristin lebendiger und dynamischer, als es das Duo Rösinger/Andreas Spechtl vermocht hätte. Sind Duos also doch nur der halbe Genuss, unvollständig und erratisch? CULTurMAG forscht weiter und stellt eine neue Auswahl an Duo-Alben vor. Ergebnisse? Auch diesmal keine endgültigen…
Solide instrumentierte Country-Folk-Songs
Das Cover des Debütalbums von Elin Piel und Fredrik Pettersson alias The Preacher & The Bear ist ganz im Stil traditioneller Folk- und Countryplatten gehalten: eine düstere Schwarz-Weiß-Fotografie, im Vordergrund zwei Gitarrenkoffer, darüber ein wolkenverhangener Himmel, in den die Songtitel gedruckt sind. Das seit zwei Jahren gemeinsam musizierende schwedische Duo hat seinen Namen von einem amerikanischen Folk-Traditional entliehen, die stilistische Ausrichtung von The Preacher & The Bear dürfte also klar sein. Vorschusslorbeeren gibt es für „Suburban Island“ auch schon, ihr gemeinsamer Freund und Mitmusiker Ebbot Lundberg (von The Soundtrack Of Our Lives) findet, dass die Musik von Elin und Fredrik klingt „wie ein Mix aus Nick Drake und den frühen Simon and Garfunkel“. Ohne unverschämt werden zu wollen, müssen wir doch festhalten, dass The Preacher & The Bear von solcher Größe noch ein gutes Stück entfernt sind. „Suburban Island“ beinhaltet neun solide instrumentierte Country-Folk-Songs, in denen Gitarre, Schlagzeug und Banjo die Szenerie bestimmen. Die Melodien sind vorwiegend getragen-melancholisch, es gibt aber selbstverständlich auch den (vorhersehbaren) lebhaften Countryschunkler zum Abtanzen. Die Texte handeln – ebenfalls nicht ungewöhnlich auf dem Americana-Sektor – vom Unterwegssein, Ankommen und Wieder-Weggehen, von unglücklicher Liebe sowieso. Elins Stimme ist hell und fragil, ein bisschen zu dünn, um einen dauerhaften Eindruck hinterlassen zu können. Fazit: The Preacher & The Bear haben gewiss Potenzial, „Suburban Island“ wirkt aber noch recht farblos. Wie das Albumcover eben.
The Preacher & The Bear: Suburban Island. Black Star Foundation (Cargo). Mehr Informationen hier. The Preacher & The Bear auf Myspace.
Sky- statt Shoegazing
„Hunt the Sleeper“ ist eine Platte, die man sofort ins Herz schließt, obwohl gar nichts Außergewöhnliches darauf passiert. Die Französin Melody Prochet (Gesang, Viola, Gitarre, Omnichord) und Axel Concato (Producing, Gitarre) rühren als My Bee’s Garden eine unwiderstehliche Shoegaze-Dreampop-Mixtur an, die leicht und leuchtend und dabei ziemlich selbstbewusst daherkommt. Wie bei den sehr passend als Vergleich hinzugezogenen Stereolab und Au Revoir Simone verstehen sich auch My Bee’s Garden hervorragend auf das Erzeugen einer bestimmten Stimmung, die man zuletzt als verliebte Studentin im zweiten Semester verspürte… Lang vorbei also, aber sofort wieder abrufbar. Bei verträumten Songs wie „Les Memes Histoires“ und „Lone Wolf´s Home“ schwirrt und flirrt die Luft, in Kopf und Bauch prickelt es wie nach einem Sekt auf Eis. „Bud And Deanie“ und „All Of A Sudden“ ziehen das Tempo ein wenig an, Indie-Gitarren und sanft-dynamische Beats verführen zum Tanzen, wobei für My Bee’s Garden dieselbe Devise gilt wie beim amerikanischen Duo Tamaryn: Sky- anstatt Shoegazing ist angesagt! Depressionen haben keine Chance, allerhöchstens eine zarte, nachdenkliche Melancholie macht sich in Stücken wie „Sailor Mood“ breit. Der Bandname ist übrigens äußerst geschickt gewählt: die Musik von My Bee’s Garden ist leckerster akustischer Honig, ganz ohne Klebegefahr!
My Bee´s Garden: Hunt the Sleeper. Kitchen/Bone Voyage. Die Band auf Myspace.
Süße Vocals, galligee Texte
Eddie Argos von Art Brut verehrt das Brightoner Duo The Indelicates so sehr, dass er nicht nur auf die Frage nach seiner Lieblingsband, sondern auf alle erdenklichen Fragen mit „The Indelicates“ antwortet – „so lange, bis sie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen!“ Argos‘ Ansinnen ist nobel, denn Ex-Pipettes-Sängerin Julia Clark-Lowes und Simon Clayton genießen vor allem hierzulande höchstens Geheimtipp-Status, was sich mit ihrem zweiten Album „Songs For Swinging Lovers“ und der dazugehörigen Tour ändern könnte. Das Covermotiv in Verbindung mit dem Albumtitel macht klar, dass hier zwei mit einem sehr schwarzen, sehr britischen Humor gesegnet sind – der in vielen Indelicates-Texten zum Vorschein kommt. Es lohnt sich, bei Songs wie „Flesh“ oder „Be Afraid Of Your Parents“ genauer hinzuhören: Julias süße, mädchenhafte Vocals lassen die galligen Texte, die beispielsweise Schönheits- und Jugendkult aufspießen, umso garstiger erscheinen. Der Sarkasmus der Indelicates kommt nicht von ungefähr, schließlich trat der brummstimmige Clayton jahrelang mit einem Musical auf, in dem das Buch Hiob comedytauglich verbraten wurde. Dann traf er Julia, die umgehend die Pipettes verließ, um Claytons Freundin und musikalische Partnerin zu werden. Mit ein wenig Fortune können The Indelicates das Erbe von The Beautiful South antreten: Julia und Simon bedienen sich aus dem Fundus des (hauptsächlich) britischen Pop der letzten 35 Jahre. Der furiose Opener „Europe“ erinnert mit seinem dramatischen Piano an die Dresden Dolls, in Songs wie „Your Money“ und der Single „Savages“ lassen sie wilde Indie-Rock-Gitarren à la Arctic Monkeys erklingen. Julia und Simon singen abwechselnd solo, aber auch im Duett („III“), was besonders schön ist, siehe The Beautiful South. Ihren Hauptinstrumenten Piano und Gitarre fügen sie hier und da passgenaue Trompetenklänge hinzu, bei der polterigen Polka „Sympathy For The Devil“ (keine Coverversion des Stones-Klassikers) dürfen sich Nostalgiker an die Pogues zur „Irish Rover“-Zeit erinnert fühlen. Die klassische Ballade „Roses“, wunderschön von Julia gesungen, ist Indelicates-like mit verbalen Dornen gespickt, am Schluss wartet mit „Anthem For Doomed Youth“ ein kleiner, natürlich nur vordergründig harmloser Folksong. Um in Eddie Argos‘ Sinne zu enden: Lieblingsbuch? The Indelicates. Lieblingsessen? Natürlich The Indelicates!
The Indelicates: Songs For Swinging Lovers. Snowhite (Universal). Zur Homepage von The Indelicates. Die Band auf Myspace.
Ein höchst sympathisches Duo
Manche Veröffentlichungen scheinen auf den ersten Blick verzichtbar, ein Album mit Coverversionen von Pop-Evergreens wie „Fernando“ oder „Put A Little Love In Your Heart“ etwa. Handelt es sich bei den Interpreten aber um alte Haudegen wie Wreckless Eric aus England und seine Gattin, die Amerikanerin Amy Rigby, dann lohnt der zweite Blick resp. das Hinhören unbedingt. Wreckless Eric wurde hierzulande stets mit dem Etikett „Punk“ bedacht, was hauptsächlich der Tatsache geschuldet ist, dass sein größter Hit „(I’d Go) The Whole Wide World“ (Stiff Records) ins Punkjahr 1977 fiel. Wie bei seinem damaligen Labelkollegen Elvis Costello war das Punkigste an Eric sein Künstlername – seine Musik könnte man am ehesten als Alternative Pubrock bezeichnen, von Aggressivität kaum eine Spur. Amy Rigby war vor Eric immerhin mit einem Punkrocker verheiratet (Will Rigby, Drummer der dB’s), nach dem Scheitern ihrer Ehe begann sie eine Karriere als Singer-/Songwriterin und verarbeitete ihre Erfahrungen als Hausfrau und Mutter in zynischen Liedern wie „Are We Ever Going To Have Sex Again?“. Wreckless Eric und Amy Rigby sind also ein vielversprechendes und vor allem höchst sympathisches Duo, wenn sie auch auf „Two-Way Favourites“ den Pop nicht neu erfinden. Ihre Akustik-Versionen von Tom Petty- und The Who-Songs klingen wie im Wohnzimmer entstanden, die beiden singen mal zusammen, mal allein. Am außergewöhnlichsten ist die noisige Bearbeitung von Smokies „Living Next Door To Alice“, das Eric und Amy genüsslich in alle Einzelteile zerlegen. Da kommt der Punk schließlich doch noch zum Vorschein!
Wreckless Eric & Amy Rigby: Two-Way Favourites. Southern Domestic Recordings. Zur Homepage von Wreckless Eric und Amy Rigby. Beide zusammen auf Myspace.
Globales Denken, Arbeiten und Musizieren
Jeremy Barnes (Akkordeon, Ex-Neutral Milk Hotel) und Heather Trost (Violine) stammen aus Albuquerque, New Mexico, sind große Fans des Dichters Cervantes (siehe Albumcover und -titel, auch der Bandname entstammt dem „Don Quixote“) und haben sich mit Leib und Seele der Revitalisierung traditioneller Musikstile verschrieben. 2006 unterstützten die beiden Zach Condon bzw. Beirut bei den Aufnahmen zum Erfolgsalbum „Gulag Orkestar“ und konnten von der allgemeinen Balkan-Begeisterung ein wenig profitieren. Anders als Beirut, Kaizers Orchestra und Gogol Bordello blieb A Hawk And A Hacksaw trotz umjubelter Konzerte und äußerst wohlwollender Kritik der große Erfolg bisher versagt. Vielleicht, weil AHAAH es mit der traditionellen Musik (wie umschreibt man „Volksmusik“ am unverfänglichsten?) am Ernstesten meinen. Barnes und Trost schwelgen auch in osteuropäischen Trink- und Tanzmusiken, lassen Violinen, Akkordeons und Blasinstrumente erklingen – aber sie hauen nicht so auf den Putz wie Eugene Hütz. Als „Gypsy-Punk“ lässt sich die Musik von AHAAH nicht bezeichnen, als Russendisko auch nicht. Für ihr neues Album „Cervantine“ haben sich Barnes und Trost eine ganze Reihe Gastmusiker ins Studio eingeladen, sind auf dieser Platte streng genommen also gar kein Duo. Sie werden unterstützt von den Gitarristen Joseph Garcia und Griffin Rodriguez, dem Cellisten Ariel Muniz, diversen Saxophonisten und Klarinettisten, dazu Stephanie Hladowski als Sängerin und ihrem Bruder Chris an der Bouzouki. Auf „Cervantine“ verschmelzen spanische, mexikanische und osteuropäische Klänge mit US-amerikanischem Folk und Country, mal harmonisch wie beim letzten Stück „The Loser“, mal knirschend und knarzend wie beim Titeltrack. Bands wie Calexico können einem da in den Sinn kommen, sind aber doch kaum vergleichbar. Calexico sind, trotz aller ‚unpoppigen‘ Einflüsse zuallererst eine erfolgreiche Pop-Konsensband. Dass bei AHAAH niemand auf Chartplatzierungen und Titelstories spekuliert, verraten Songtitel wie „Üsküdar“ oder „Mana Thelo Enan Andra“. AHAAH denken, arbeiten und musizieren global, ohne westlich geprägte Pop-Konditionierungen einzukalkulieren. AHAAH eröffnen Welten, die Gogol Bordello und Kaizers Orchestra vor lauter Feierlaune nie betreten werden – und doch oder besser gerade deshalb wird die Fangemeinde von A Hawk And A Hacksaw auch in Zukunft überschaubar bleiben.
A Hawk And A Hacksaw: Cervantine. L.M. Dupli-cation. Die Band auf Myspace.