Geschrieben am 26. November 2009 von für Musikmag

Mercedes Sosa: Cantora

Gänsehautmusik!

Ein großes letztes Projekt einer der ganz großen Stimmen des 20. Jahrhunderts. Von Thomas Wörtche

Ein gewisses Maß an absolut plausiblem Pathos hatte die nueva cancionera Mercedes Sosa schon immer. Denn mit Liedern gegen die argentinische Militärdiktatur anzusingen, war lebensgefährlich – u. a. ihrem Kollegen Victor Jara in Chile hat es bekanntlich das Leben gekostet. Besonders, weil La Negra (ihr Kosename im iberophonen Raum) auch noch eine begnadete und ausdrucksstarke Sängerin war, die so ziemlich alle lateinamerikanische Idiome beherrschte. Ihr letztes Album – Mercedes Sosa starb am 4. Oktober in Buenos Aires – ist eine Art summa ihres musikalischen Lebens geworden. 19 Duette mit vielen großen Namen der spanischen und lateinamerikanischen Musikwelt, von Joan Manuel Serrat, dem großen katalanischen Chansonier, über den Brasilianer Caetano Veloso bis zu ihrer argentinischen Kollegin Soledad Pastorutti. Man sollte eigentlich jeden Song, jeden Tango, jede Cumbia, jeden Bolero, jedes Chanson und jeden Rock- und Bluessong auf der 74-minütigen CD einzeln durchnehmen, aber lassen wir das lieber, aus Platzgründen…

Ein paar Highlights: Nie war Shakira, seit sie aufgehört hat, hauptsächlich spanisch zu singen, so gut wie im Duett mit Mercedes Sosa bei „La Maza“ (hier eine Live-Version). Und nie habe ich den alten Julieta-Venegas-Hit „Sabiéndose de los descalzos“ von 1997 so intensiv gespenstisch vorgetragen gehört wie in dieser Version der beiden Ladies. Gigantisch das im besten Sinn ’sozialkritische‘ „Canción para un niño de la calle“ mit René Perez alias Residente von der reggaetón-plus-Truppe Calle 13. Oder „El ángel de la bicicleta“ – eine Art Tango-Bolero über das Opfer politischer Gewalt in Rosario, vorgetragen zusammen mit Gustavo Cordera von Bersuit Vergarabat… Oder…

Wie gesagt, man könnte das ganze Album nacherzählen – die Mischung aus politischen Inhalten und Musik auf höchstem Niveau funktioniert bei Mercedes Sosa und den ihren immer noch. Coole Musik kann und soll politisch sein. Damals, als die Feindbilder für jeden anständigen Menschen klar waren, und heute wieder (oder immer noch). Ein großes letztes Projekt einer der ganz großen Stimmen des 20. Jahrhunderts.

Thomas Wörtche

Mercedes Sosa: Cantora. RCA (Vertrieb: Sony).

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