Geschrieben am 27. November 2008 von für Musikmag

Konzertbericht: MGMT und Fleet Foxes // Huxleys

MGMT und Fleet Foxes in concert // 22.11. Kesselhaus, 24.11. Huxleys, Berlin

Pärchen auf hohem Niveau

Diese Woche hatte im verwöhnten Berlin konzerttechnisch gleich zwei Höhepunkte zu bieten, dabei auch zwei Konzerte, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, obwohl man manche Besucher sowohl bei dem einen als auch beim anderen sichten konnte. Von Tina Manske

Andererseits haben die beiden Bands ja auch mindestens eine Gemeinsamkeit, denn sowohl MGMT als auch Fleet Foxes gehören zu den Newcomern, deren aktuelle Debütalben man auf so mancher Jahresbestenliste 2008 wiederfinden wird. Und dass beide Bands zur Welle der Neo-Hippies gezählt werden, ist wohl auch kein Zufall.

MGMT machten aus dem Kesselhaus erstmal einen halben Kindergarten. Man fühlt sich als Mensch jenseits der 30 bei Pop-Konzerten ja gelegentlich als Außenseiter, hier aber war’s, als sei man mitten in eine Abifeier reingeplatzt, bei der sich die meisten schon entschlossen hatten, sich heute mal so richtig die Kante zu geben, manche schauten einen an als sei man der aufsichthabende Lehrer. Viele der Fans hatten sich ihre Gesichter bemalt und sich Stirnbänder umgebunden oder sich in fantasievolle Klamotten geschmissen. Ein bisschen war’s wie auf der Leipziger Buchmesse, wenn plötzlich dicke Mädchen als Comicheldin verkleidet und mit schweren Flügeln auf dem Rücken um die Ecke kommen.

Es gibt also tatsächlich so etwas wie den unterstützenswerten Tokio-Hotel-Effekt. Denn schon nach den ersten zehn Minuten Spielzeit der Vorband A Place To Bury Strangers wurde klar: Alle, die jetzt noch hier sind, gehören zu den Guten. Wer klug war, hatte sich Ohrstöpsel besorgt, denn APTBS nennt man nicht umsonst die lauteste Band New Yorks (siehe auch unser Interview mit Sänger und Gitarrist Oliver Ackermann).

MGMT mussten da den Sack nur noch zumachen. Schließlich haben sie auf ihrem grandiosen Album „Oracular Spectacular“ eine Hymne nach der anderen auf die Jugend geschrieben (eine heißt ja sogar „The Youth“), klar also, dass die so Besungenen dazu gerne kreischen.

MGMT brennen aber auch ein perfektes Feuerwerk ab, und das ganz ohne helfende Visuals, wie’s mittlerweile Standard ist. „They’ve become so much better since last time“, sagt einer neben mir zu seinem Freund, der fast Tränen in den Augen hat vor Spaß, und auf meine Nachfrage, ob die beiden das Konzert im Frühjahr im Berliner Lido meinen, sagt er: „No, in May, in Austin, Texas. They’re like 80 % better now. They were good then, now they’re awesome.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Am Ende, bei „Kids“, fliegen dann die Fetzen und ein riesiger Teddybär ins Publikum, um dort Crowdsurfing zu betreiben. Welch ein durchgeknallter, wunderbar unvernünftiger Abend!

Glaubensaffin im Innern

Ein bisschen anders war die Atmosphäre bei den Fleet Foxes im Huxleys. Ohne Schnickschnack, nur in Jeans und Holzfällerhemden, verwandelte die Band aus Seattle die riesige Halle in eine Kathedrale, in der alle nur noch an den Lippen von Sänger und Gitarrist Robin Pecknold hingen, der auf der Bühne stand wie der neue Messias – und mehr als göttlich dabei sang. Selten hat man ein Publikum erlebt, das zwischen den Songs so paralysiert Ruhe bewahrte wie dieses hier – leider ein bisschen zu erwachsen.

Es war, das spürte man nicht nur bei den zahlreich anwesenden heterosexuellen Kleinstfamilien, im Herzen getroffen. Endlich mal eine Band, bei der man auf hohem Niveau Pärchen sein und trotzdem öffentlich kuscheln darf!

Höhepunkt war Pecknolds Solo mit Gitarre, für das er ein paar Schritte von der Bühne trat und die Halle ganz ohne Mikrofon beschallte – mit welcher Stimme ist dieser Mann gesegnet! Man wird ganz glaubensaffin im Innern! Zwischendurch wurde essbares Gummizeugs ins Publikum geworfen (Kindergeburtstag! Ha, noch eine Gemeinsamkeit!) und Deutschland für die Erfindung von Haribo gedankt. Zuvor hatte Bandmitglied J Tillman solo, ganz allein mit seiner Gitarre, im Vorprogramm eine heimelige Hippie-Atmosphäre geschaffen.

Komikerqualitäten zeigte er dabei auch noch: Sein kurzer Abriss der Kalamitäten einer Band, die, in die deutsche Hauptstadt und dort auch noch ausgerechnet nach Kreuzberg gereist, nichts anderes zu tun findet, als bei unwirtlichen Temperaturen um den mittlerweile stillgelegten Flughafen Tempelhof herumzuspazieren („This city is boring!“), anstatt, wie es Popstars geziemt, sich in den unzähligen nahe gelegenen Bars zu vergnügen, amüsierte den gut gefüllten Saal.

Überhaupt waren die Fleet Foxes merklich gelöst, schließlich war das Konzert im Huxleys der Abschluss einer ambitionierten Tour. „Now I’m gonna go write new songs“, sprach Robin Pecknold am Ende, und erntete begeisterte Zurufe. „Yeah, I’m excited as well.“ Kann ja sein, dass ihm seine alten Songs schon zum Hals raushängen. Uns noch lange nicht. Auf die neuen freuen wir uns trotzdem.

Tina Manske

Aktuelle Alben: MGMT: Oracular Spectacular. Columbia (Vertrieb: Sony BMG). Fleet Foxes: dito. Bella und Union/Cooperative Music (Vertrieb: Universal). MGMT und Fleet Foxes bei MySpace.

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