Geschrieben am 1. September 2005 von für Musikmag

Julian Priester Pepo Mtoto: Love, Love

Sun-Ra-Assoziation

Hier sind die 60s näher als die 70s, und am Ende zerfasert die Elektronik experimentierfreudig jede Art von Gemütlichkeit, ohne ins Disharmonische abzugleiten.

„Bitches Brew” goes Sun Ra? Hört man „Love, Love”, den ersten der beiden Tracks dieses schon 1973 eingespielten Albums des Posaunisten Julian Priester (der damals gerade den Suaheli-Namen Pepo Mtoto angenommen hatte), ist diese Assoziation unausweichlich. Nicht bloß, weil Priester lange bei Sun Ra gespielt hat, sondern weil „Bitches Brew” und die Folgen von Weather Report & Co. einfach das grosse Paradigma der Zeit waren. So grooven auch hier aus einschlägigen Fusion-Bands bekannte Leute wie Eric Gravatt, Ron McClure und Bill Connors sehr relaxt vor sich hin. Die Synthesizer von Pat Gleeson und die diversen Keyboards, speziell das Fender Rhodes, und der Oberheim sorgen für den typisch beissenden Sound der Zeit, der auch heute noch erstaunlicherweise gut funktioniert. Weil die einzigartig klare Trompete von Miles Davis hier (glücklicherweise?) nicht ersetzt worden ist – durch Priesters Posaune etwa – übernehmen sphärisch klingende Programm-Bits die Aufgabe, den Ensemblesound luftig und schwebend zu halten. Darunter pluggert das Ostinato – und so entsteht die Sun-Ra-Assoziation.

Bei „Images”, dem zweiten Track, sind die Bläser stärker solistisch involviert. Nicht nur Priesters Posaune, die bekanntlich unter anderem von Duke Ellington, Eric Dolphy, Johnny Griffin, Max Roach und John Coltrane gerne eingesetzt wurde, auch die Reeds von Hadley Caliman und David Johnson brechen aus eher konventionellen Tutti auf zu Solo-Flügen oder richten fröhlich kollektivimprovisatorisches Chaos an. Hier sind die 60s näher als die 70s, was man auch der Behandlung des ganz normalen Pianos durch Bayete Umbra Zindiko anhört. Am Ende aber zerfasert die Elektronik experimentierfreudig jede Art von Gemütlichkeit, ohne ins Disharmonische abzugleiten.

Das Erstaunlichste aber ist, wie extrem haltbar ausgerechnet diese Musik ist, die sich so heftig aus dem damaligen Zeitgeist gespeist hat. Fein!

Thomas Wörtche

Julian Priester Pepo Mtoto: Love, Love. ECM 1044 9871773.