Geschrieben am 11. Februar 2010 von für Musikmag

In concert: Laura Veirs; Midlake

Laura VeirsIn Sounds gekuschelt

Warum Folk und naturnahes Gesäusel gerade wieder kräftig en vogue sind in der Musiklandschaft, das soll hier ein anderes Mal Thema sein (denn dass es eines ist, ein lohnendes sogar, und dass es etwas mit der Lage der Welt als ganzer zu tun hat, dazu muss man nur die Ohren weit genug aufstellen). Hier zunächst einmal Meldungen von Liveerfahrungen, die man mit zwei Vertretern dieses und angrenzender Genres in jüngster Zeit machen konnte. Von Tina Manske

Als beim Konzert von Laura Veirs ein Besucher lauthals den Song „Cold Water“ fordert, bekommt er von der Bühne zu hören: „Oh, I thought you were saying ‚roadrunner‘, which is another bird. ‚Cold Water‘. Well, sorry to disappoint you, but we’re not gonna play this song tonight, because none of the musicians knows it, including me.“ So trocken ist der Humor von Laura Veirs, und dazu rührt die 36-Jährige aus Portland, Oregon keine Miene, rückt höchstens mal das weiße Band zurecht, das ihr Haar brav zurückhält, auch ihre schwarze Hornbrille verrutscht keinen Millimeter, wie sie da vorne steht und den nächsten Song mit lupenreinem Fingerpicking anstimmt.

Veirs‘ Lieder handeln von den einfachen Dingen, von Landschaften, Sternen, Wegen und den Menschen, die man auf ihnen vielleicht trifft. Und was dann so passieren kann zwischen den Menschen. Diese Inhalte gießt sie in wunderschöne Arrangements mit mehrstimmig versetzten Gesängen, begleitet von Gitarren, Geigen und sehr zurückhaltender Percussion und Elektronik. Dass Veirs Geologie und Mandarin-Chinesisch studiert hat, glaubt man sofort: Eine Frau wie diese ist keine Frau wie jede andere. Einst spielte sie in einer feministischen Punk-Band, aber seitdem hat sich einiges verändert.

Heimelig und friedlich

Ein weiterer Zurufer aus dem Publikum („Our salads rocks!“) wird in wiederum herrlich trockener Weise über die korrekte englische Grammatik aufgeklärt, dann geht’s weiter mit Gesang, den die Besucher selbst beisteuern dürfen („ah-ahaaaha-aha“). Es herrscht eine Stimmung wie bei einem Hippie-Geburtstag, bei den Vorbands sitzen die Zuschauer sogar auf dem Boden wie bei einem klassischen Sit-in – fehlt nur noch, dass jemand den Bong rausholt. Alles ist sehr heimelig und friedlich hier, und das kann man bei den vielen guten Songs, die dazu gespielt werden – vieles selbstverständlich von neuen Album „July Flame“ – sehr genießen. Immerhin hat man sich dafür lange genug über vereiste Gehwege gequält – es hat sich gelohnt. Im August will Laura Veirs mit ihrer Band wieder nach Europa kommen, dann wahrscheinlich mit kleinem Baby im Gepäck. Sie hat sogar versprochen, bis dahin das noch gänzlich unbekannte „Cold Water“ einzustudieren.

MidlakeAus der Zeit gefallen

Ebenso sympathisch dann vier Tage später Midlake aus Denton, Texas, ebenfalls im (diesmal komplett ausverkauften) Lido. Als Vorband haben sie sich Sarah Jaffe eingeladen – eine gute Wahl, denn der Country-Folk der ebenfalls aus Texas stammenden Musikerin ist ein perfekter Auftakt für die eher ruhigeren Töne, die dann folgen. Man fühlt sich bei einem Midlake-Konzert wie aus der Zeit gefallen: So muss es gewesen sein, als damals Creedence Clearwater Revival in den frühen Siebzigern auf der Bühne standen. Auch auf die neuen Trendfrisuren (80er!) pfeifen die fünf Jungs und schütteln lieber ihre Hippie-Mähne (auf dem hier gezeigten Foto noch nicht im Bild).

Mit „Winter Dies“ aus ihrem neuen Album „The Courage Of Others“ beginnen sie den Abend, also mit genau dem Szenario, das sich mittlerweile jeder Berliner wünscht. Sie spielen hauptsächlich Songs der neuen Platte, aber auch Älteres. Dabei wird deutlich, welches Understatement die Band mit „The Courage Of Others“ pflegt. Fast jeden Song hätten sie ohne Zweifel zu einem kleinen Indie-Hit aufmöbeln können (wie sie es beim Vorgänger „The Trials Of Van Occupanther“ zum Teil auch gemacht haben), sie aber haben sich dazu entschlossen, eine Traube völlig unspektakulärer, aber dennoch intensiver Stücke zu schreiben.

Ohne Knochenbrüche

Und da wir den Bong schon erwähnten: Kaum hebt die Gitarre zum Jam an und singt die Stimme von der Natur, die der Mensch nicht kaputtmachen darf, riecht man auch schon den Joint aus den hinteren Reihen. Keine Frage, in der Krise kehrt der Musikkonsument zurück zu den alten Werten und möchte sich wenigstens einen Abend lang in Sounds einkuscheln, bevor er wieder raus muss in den kalten Wind des Kapitalismus. Wie das zu bewerten ist, darüber wird wie gesagt noch zu reden sein. Einstweilen aber bringen uns Musiker wie Midlake und Laura Veirs ohne Knochenbrüche sanft durch den Restwinter.

Tina Manske

Laura Veirs: July Flame; Midlake: The Courage Of Others. Beide Cooperative Music (Vertrieb: Universal).

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