Geschrieben am 2. Februar 2011 von für Musikmag

Imelda May: Mayhem

Imelda May lässt den lässigen Sound der schimmernden 50er-Jahre wieder aufleben, als weiße Rock’n’Roller vom Lande den Rhythm and Blues für sich entdeckten, freut sich ein begeisterter Jörg von Bilavsky.

Imelda May: MayhemRassiger Rockabilly

– In Irland stieß sie Bruce Springsteen vom Charts-Sockel, und schon verherrlichen sie die anglo-irischen Blätter als „Dublins Antwort“ auf Amy Winehouse. Doch welch heißes Blut wirklich in dem vitalen Vamp Imelda May fließt, verrät ihr zweites Album „Mayhem“, das keineswegs so ‚chaotisch‘ daherkommt, wie es der zweideutige Titel verheißen mag. Das Album sorgt mit seinen furiosen Songs zwar für einige Turbulenzen, doch das mit höchster musikalischer Präzision. Imelda May sorgt nicht nur mit Leopardenlook, knallroten Lippen und blondierter Haartolle für Aufsehen, sondern lädt mit perfekt arrangierten Kompositionen vor allem zum Abtanzen ein. Schon der erste Song „Pulling The Rug“ juckt zart in den Fußspitzen. Spätestens bei dem hitbetonten Titelsong „Mayhem“ wippen Kopf und Hüfte im Gleichklang, bevor bei „Sneaky Freak“ auch die übrigen Körperteile zucken.

Der von May musikalisch gründlich entstaubte und entgelte Rockabilly grundiert sämtliche Songs, egal ob sie die Elemente des Jazz („Inside Out“, „Bury My Troubles“), Country („Kentish Town Waltz“, „Proud And Humble“) oder lässigem Lounge („All For You“) mal mehr, mal weniger betont. Immer schimmert der Glimmer und Glitter der 50er-Jahre durch, als weiße Rock’n’Roller vom Lande den Rhythm and Blues für sich entdeckten. Heute ist die Rockabilly-Gemeinde stark zusammen geschrumpft, doch die in Look und Sound unkonventionelle Imelda könnte sie mit ihren fünfzehn Songs wieder vergrößern. Vor allem das angeraute „Psycho“ überzeugt durch rassigen Rock, ihre verhallt-verzerrte Stimme und den schnaubenden Abgang.

Alle Vergleiche mit der Rockabilly-Legende Wanda Jackson oder der genauso oft hochgelobten wie abgestürzten Amy Winehouse sind ebenso hinfällig wie der Hang, Mays Sound für Lynch- oder Tarantino-kompatibel zu halten. Imelda May ist keine Isabella Rossellini, auch wenn ein Auftritt der Irin im Lynch-Klassiker „Blue Velvet“ sicher morbiden Charme besessen hätte. Mays Songs verströmen nichts subversiv-geheimnisvolles, sondern wirken im lebendigsten Sinne verrückt. Selbst wenn sie, wie in „Too Sad To Cry“, mit Trommelwirbel und Trauermarschgebläse ihrem Liebeskummer äußerst herzhaft Luft macht, bleibt May immer authentisch. Apropos Herzschmerz, die von ihren Fans besonders beliebte Coverversion von „Tainted Love“ beweist endgültig, dass sie mehr mit dem Aufleben als dem Ableben liebäugelt. Auch wenn Soft Cell diesen Titel so genial abgekupfert hat wie keine Band vor ihr, verleiht Imelda May dem Originalsong von Gloria Jones aus den 60ern noch mehr Power.

Wer zum Rockabilly bisher nicht seine Hufe schwingen konnte, sollte sich die rassige Version von Imelda May einmal zu Gemüte führen oder sie im Mai vielleicht einmal live erleben. Entweder man wird dann für immer süchtig oder man sollte diese Spielart des Rock’n’Roll lieber lebenslang meiden.

Jörg von Bilavsky

Imelda May: Mayhem. Decca (Universal).
Zur Homepage von Imelda May. Imelda May bei Myspace.

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