Gute Songideen = gute Musik
– Manchmal, aber doch sehr selten kommt es vor, dass man am Morgen des Erscheinungsdatums einer Platte seine Termine so legt, dass der Weg zum Plattenladen zwischendurch noch möglich ist. Bei Go-Betweens „Bright Yellow Bright Orange“ oder Erdmöbels „Krokus“ war das in den vergangenen Jahren so, und Ende Januar passierte das mal wieder beim neuen I am Kloot-Album „Let It All In“. Von Wolfgang Buchholz
Ich bin eigentlich vorsichtig mit der Bezeichnung Lieblingsband, aber bei I am Kloot passt das im Moment. Wo holt Mastermind John Harold Arnold Bramwell nur diese schöne Musik her? So unspektakulär, aber von solcher Brillanz – ihm und seinen beiden Gefährten Andy Hargreaves am Schlagzeug und Peter Jobson am Bass ist erneut ein großes Album gelungen.
“I kept the note you never wrote and put it with the rest I haven’t got.” Los geht es mit einem sich langsam entwickelnden, angebluesten Barstomper mit einem Tom-Waits-Gitarrensolo am Ende. „Treat your body like a cheap motel” – hier geht es wie oft bei I am Kloot nicht um die Sonnenseite des Lebens.
Dann das erste Highlight „Let Them All In“. Wie kann man so einfach komponiert, so sparsam arrangiert und so luftig gespielt, eine solch schöne Musik erzeugen? Getragen von Bass und Schlagzeug mit einigen dezenten Gitarrentupfern entsteht eine unglaubliche Atmosphäre. Von ähnlichem Kaliber sind „Mouth On Me“ (etwas mehr Up-Tempo, der Hit der Platte), „Shoeless“ („Shoeless in your favourite dress you walk the shore, the waves caress your feet, you don’t really mind“ – ein tolles Bild) und „Forgive Me These Reminders“ (startet mit etwas Begleitgeklampfe und steigert sich in ein wunderschönes Streicherarrangement).
Aber I am Kloot können auch opulenter, zu hören bei „Hold Back The Night“ (dezenter Anfang mit wildern Streichern am Ende), „Some Better Day“ (zunächst eine Trompete, dann ein großartiges beatlesques Arrangement) und „These Days Are Mine“ (sehr üppig instrumentiert mit orientalischem Flair und Chören wunderbar in Szene gesetzt). Hier scheint der Elbow-Einfluss der Produzenten Guy Garvey und Craig Potter am stärksten zur Geltung zu kommen.
I Am Kloot – These Days Are Mine (Official Video) from PIASGermany on Vimeo.
Oft geht bei Bands mit jedem neuen Album mehr und mehr die Luft raus: Alles schon mal gehört, keine neuen Ideen mehr, und man kann sich ja auch nicht mit jeder Platte neu erfinden. Umgekehrt läuft es bei I am Kloot, die werden mit jedem Album runder, und das mit einer Musik, die wahrlich nicht in erster Linie durch Innovation glänzt. Das A und O von guter Musik sind die guten Songideen. Und die haben nur die wenigsten, da hilft oft auch filigranes Muckertum und ausgiebiger Technikeinsatz nur bedingt weiter.
Das alles haben I am Kloot nicht nötig. Schon die letzte Platte „Sky At Night“ war überragend. „Let It All In“ hält dieses Niveau mühelos – zehn neue Songs und kein Ausfall dabei. Auch live sind I am Kloot ein echter Tipp, einige wenige Konzerte gibt es im Frühjahr in Deutschland. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.
Wolfgang Buchholz
I am Kloot: Let It All In. PIAS (Rough Trade). Zur Homepage und Facebook. Reinhören bei Soundcloud.