Geschrieben am 24. Oktober 2012 von für Musikmag

Gleis 22 – Fünfundzwanzig Jahre Konzerte – Das Buch zum Club

Gleis 22 – Fünfundzwanzig Jahre KonzerteKein Ende in Sicht

– Das Gleis 22 in Münster ist 25 Jahre alt geworden. Neben einer Jubiläumswoche mit tollen Konzerten ist auch ein Buch mit Fotos aus dieser Zeit erschienen. Wolfgang Buchholz war beim Höhepunkt der Woche, den Fehlfarben, und stellt das Buch vor.

Herbst 2002, neuer Job in Münster und ein Tag mit Übernachtung in der Stadt zur Wohnungssuche. Was macht man an einem solchen Abend? Irgendwo in der Stadt gibt es bestimmt ein gutes Konzert. Leider aber auf die Schnelle nichts Ansprechendes gefunden – schade. Und am nächsten Tag fällt dir ein Flyer in die Hand – gestern Abend: Family Five im Gleis 22. Wie doof ist das denn?

Dies war meine erste Berührung mit dem Münsteraner Konzert-Club Gleis 22. Trotz dieser ersten missglückten Begegnung haben wir schnell Freundschaft geschlossen und in den nächsten zehn Jahren viele schöne gemeinsame Erlebnisse gehabt. Für den Gitarren-Pop-Liebhaber – aber auch für andere Genres – bietet das Gleis 22 ein unglaublich tolles Angebot. Das ist nicht nur meine Meinung, auch die SPEX kürte das Gleis 22 mehrfach zum besten Club des Jahres. Alte Lieblingsbands (I am Kloot, The Weakerthans, The Posies), neue Lieblingsbands (Stars, Erdmöbel, Cats on fire), All-Time-Favourites (Grant Hart, Juliana Hatfield, Fehlfarben, 22 Pistepirkko) und tolle Neuentdeckungen (Bishop Allen, Das Pop, Two Gallants, The Wrens) habe ich in den letzten zehn Jahren hier live erleben dürfen.

Die Geschichte vom Gleis 22 beginnt aber nicht erst im Jahr 2002, sondern schon 15 Jahre früher. Seit 1987 veranstaltet hier ein Team von ehrenamtlich tätigen Musikliebhabern Konzerte unter dem Motto „Lieblingsbands nach Münster holen“. Daraus sind ca. 2000 Konzerte mit 4000 Bands geworden, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Nun gibt es zum Jubiläum das Buch „Fünfundzwanzig Jahre Konzerte“, ein Fotoband mit tollen Aufnahmen von Künstlern, die in dieser Zeit im Gleis 22 aufgetreten sind. Aus den Anfangsjahren finden sich teilweise vergessene Bands wie Birdy Num Nums, Speedniggs, Subway Surfers oder Noise Annoys.

Zu sehen sind aber auch die jungen Frank Spilker (wenig verändert), Jochen Distelmeyer (mit streng gegelten Haaren) oder Ekki Maas von Erdmöbel (sehr, sehr jung). Mitte der 90er kamen dann die ersten international renommierten Musiker wie Fellow Travellers, Motorpsycho, Nikki Sudden, Gallon Drunk oder Stierkampf (später Turbonegro) ins Gleis – die 22 lässt der Kenner geflissentlich weg. Tolle Bilder finden sich hier auch von den jungen Notwist (mit ganz langen Haaren). Weiter geht’s mit Smog, Robert Forster, The Thermals, Kettcar, Mando Diao, Jonathan Richman, Mike Watt, Art Brut, Maximo Park, The Gaslight Anthem, Okkervil River, Die Goldenen Zitronen und, und, und….

The Blood Brothers

The Blood Brothers © Henner Flohr

Die Bandbreite reicht von Anvil über Psychic TV bis hin zu Studio Braun und Harry Rowohlt. Oft haben in dem ca. 300 Zuschauer fassenden Club Bands gespielt, die kurz darauf richtig groß geworden sind. Das Gleis-Team hat aber nicht nur einen guten Riecher für angesagte Musik, sondern auch tolle Fotografen in seinen Reihen. Auf den 160 Seiten des Buches finden sich ca. 500 Fotos, das Buch ist toll aufgemacht, alle Bilder beschriftet und vorbildlich mit Quellenangabe und Copyright versehen (Piraten schaut her!). Auch für Nicht-Münsteraner bergen die Fotos schöne Erinnerungen.

Viele der Bands habe ich beispielweise seinerzeit in Läden wie KFZ und Café Trauma in Marburg, Ausweg in Gießen oder Negativ und Dreikönigskeller in Frankfurt gesehen. Will sagen, es gibt oder gab auch in anderen Städten astreine Clubs. Bemerkenswert ist jedoch, dass die wenigsten eine 25-jährige Historie aufweisen können. Die Stadt Münster kann sich wirklich freuen, eine solche Institution wie das Gleis 22 im Angebot zu haben. Das ist ein wichtiger Baustein im kulturellen Angebot von Münster und ein wirkliches Aushängeschild. Dies bietet einen schöner Gegensatz zu Auswüchsen wie der abgeschmetterten Konzerthalle oder der unsäglichen Diskussion um die Umbenennung des Schlossplatzes in Hindenburgplatz, ein Plan, der kürzlich bundesweit durch die Gazetten ging aber glücklicherweise noch einmal verhindert werden konnte.

Ende September gab es auch eine Konzert-Jubiläumswoche mit u. a. Nagel, Japandroids und schließlich den Fehlfarben als krönendem Abschluss. Und so schließt sich der Kreis. Nachdem ich ihn vor zehn Jahren verpasst habe, erlebe ich jetzt einen Peter Hein, gewandet in einer Jacke aus dem Nachlass von Adam Ant, in absoluter Bestform. Und genauso topfit ist der Rest der Band, allen voran die von mir schon häufig gelobte grandiose Saskia von Klitzing am Schlagzeug.

Die Fehlfarben spielen viel „Monarchie und Alltag“, etwas „Glücksmaschinen“, aber vor allem „Xenophonie“ – das krachige neue Album. Mit Liedern wie „Dekade 2“, „Platz da“, „Hygieneporzellan“ und „Bundesagentur“ sind sie so nah an „Monarchie und Alltag“ wie auf sonst keiner Platte ihrer langen Geschichte, aber absolut auf der Höhe der Zeit. Überzeugende Versionen aus einem Guss und großer Spaß auf und vor der Bühne bilden einen würdigen Höhepunkt der Jubiläumswoche. Und geknipst wurde auch wieder fleißig. Zu beziehen ist das Buch im Übrigen für 17,50 Euro über 25jahre@gleis22.de.

Wolfgang Buchholz

Das Gleis 22 im Netz.

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