Pathetisch sind Glasvegas immer noch, nur hat ihnen Produzent Flood die Flügel am falschen Ende gestutzt. Tobi Kirsch setzt schon jetzt alle Hoffnungen in das nächste Album.
Die Kanten geschliffen
Glasvegas waren so etwas wie die neue britische Rockhoffnung, ihr bombastischer Pathos-Entwurf inklusive Shoegaze-Anleihen wurde enthusiastisch gefeiert. Die Latte lag also hoch vor dem Nachfolger „Euphoria/Heartbreak“. Eins kann man vorwegnehmen, komplett gerissen hat die Band die Latte nicht. Aber sie stehen kurz davor. Produzent Flood, der einiges an Meriten sein eigen nennen kann, hat der Band einen klaren und deutlich glatteren Sound verpasst als auf dem Debüt. Die guten Texte und der gesangliche Ausdruck von James Allan vertragen sich mit dieser Architektur nur dürftig. Gegen Mitte des Albums hört man den unbedingten Willen heraus, durch klangliche Perfektion diese Band für die großen Hallen, Stadien und Festivalbühnen dieser Welt glatt zu bügeln. Das kann nur scheitern, wird aber kein Totalreinfall, weil sich die Band in ihren Songs immer ein Stück weit gegen eine Normierung wehrt. Der pathosgetränkte Gesang, dem ich auf dem Debüt wirklich gnadenlos verfallen war, fällt jedoch auf Songs wie „Dream Dream Dreaming“ negativ ins Gewicht. Eine Anlage ins Überkandidelte konnte man schon auf dem ersten Longplayer erahnen, hier wird dieser Ansatz jedoch endgültig mitunter übersteigert, bisweilen ins Nervtötende. Gegen Ende der Platte fängt sich die Band gottseidank wieder, und der künstliche Klang weicht zugunsten reduzierter Rockästhetik zurück. Soweit, so gerade noch mal die Kurve gekriegt.
Leider fehlt „Euphoria /Heartbreak“ das ungestüme Moment, das die verzerrten Gitarren und die Dramatik auf „Glasvegas“ herzustellen vermochten. Es ist wie fast immer, wenn man hohe Erwartungen hegt: meist werden sie enttäuscht. Von einem erfahrenen Mann wie Flood hätte man denken können, er betont das Besondere dieser Band, die Ambivalenz von Krach und gleichzeitiger Sensibilität. Stattdessen hat er bei einzelnen Songs die Kanten geglättet und die Band in einen Soundkorsett gezwungen, dass einem die Lust am Zuhören vergeht. Zu aufdringlich kommen die Refrains daher, und auch das schönste Pathos wird im falschen Gewand zu Schwulst und Kitsch. Das ist schade, und ich hoffe, dass die Band mit dem dritten Album ein wenig von ihrer Frische zurückgewinnt, die das Debüt noch auszeichnete. Geht sie den hier aufgezeigten Weg Richtung Synthiepop weiter, haben sie mindestens mich als Hörer komplett abgehängt. Songs wie „Lost Sometimes“ lassen mich jedoch hoffen, dass die Suche der Band noch nicht komplett in der Sackgasse gelandet ist.
Tobi Kirsch
Glasvegas: Euphoric/Heartbreak. Sony Music.
Die Band auf Myspace und bei Facebook sowie die Homepage von Glasvegas.