Träume in Edelweiß
Fast klassisch zu nennende Melodien, sanfter Gesang, der nach klassischer Ausbildung riecht, und Texte vollen Unernstes. Von Tina Manske
Flare Acoustic Arts League sind ein Musikerkollektiv um Mastermind LD Beghtol, der sich nicht nur als Musiker mit seiner Band LD & The New Criticism einen Namen gemacht hat, sondern auch als Designer und Schriftsteller. „Cut“ ist bereits das dritte Album des Kollektivs, und damit sollte es endlich herauskommen aus der Ecke des unbekannten Indies und hineintreten ins helle Licht des gefeierten Unterhaltungskünstlertums. Denn unterhalten wird man durch Flare Acoustic Arts League ungemein.
Diese Musik klingt in den besten Momenten wie eine doppelt ironisch gebrochene Version von Neil Hannon bzw. dessen Band The Divine Comedy – fast klassisch zu nennende Melodien, sanfter, einschmeichelnder Gesang, der nach klassischer Ausbildung riecht, und Texte vollen Unernstes. Das fängt bereits beim Opener an: „Reminiscences Of A Minnesota State Training School Alumnus, Class Of 1905“ ist die aus der Ich-Perspektive erzählte Geschichte eines Serienmörders, der sich über exzellente Publicity freut und darüber sinniert, wie ähnlich ihm die sogenannten Normalen doch sind. Mit „Ballad Of Little Brown Bear“ ist ein in bester Monty-Python-Manier gesungener Holzfällersong dabei. Auch schön die Abrechnung mit dem Ex-Lover, dem seine neu gewählte Heimat hinterhergehöhnt wird: „You build your dreams on Coocoo Clocks, Toblerone, Edelweiß, Matterhorn… and Nazi gold“.
Exzessiv und exquisit
Nicht so zu sein wie die andern, das scheint sich LD Beghtol auf die Fahne geschrieben zu haben. Seit Jahren unter Schlaflosigkeit leidend, gehören Sammelleidenschaften und exzessives Lesen zu seinen Beschäftigungen. Vielleicht braucht man das, um ähnlich kreativ zu sein wie er. Eine Geistesverwandtschaft mit Stephin Merritts Magnetic Fields ist nicht an den Haaren herbeigezogen, schließlich hat LD bereits beim Album „69 Love Songs“ mitgewirkt (Merritt darf dafür bei „Love Finds Andy Warhol“ die Gaststimme beisteuern). Auch sonst sind die Musiker exquisit: Julia Kent am Cello zum Beispiel spielt sonst auch bei Antony and the Johnsons, Alan Sparhawk (bei „Luminary“ an der E-Gitarre) kennt man von Low, die für die Blasmusik zuständige Kelly Pratt spielt auch bei Beirut und Arcade Fire.
Mittlerweile arbeitet LD parallel an einem Band mit Kurzgeschichten, einer neuen Platte mit LD & The New Criticism und – man höre und staune – an einem Musical, zusammen mit Locas In Love. Man hat nicht das Gefühl, er würde sich damit überheben. Nimmt man die Selbstverständlichkeit, wie „Cut“ zum modernen Indiefolk-Klassiker avanciert, zum Maßstab, bekommt der alles hin.
Tina Manske
Flare Acoustic Arts League: Cut. Affairs Of The Heart (Vertrieb: Indigo).