Geschrieben am 9. Mai 2012 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von und mit Etienne de Crécy, Caligola, Locas in Love und Superpunk, gehört von Janine Andert (JA) und Tina Manske (TM).

Etienne de Crécy: My Contribition To The Global WarmingKeine Lücken

(TM) Eine der Lichtgestalten der französischen Elektrowelle der 90er-Jahre legt eine fette, fette Retrospektive vor. Nicht weniger als fünf (!) CDs enthält dieses Paket, der Name ist also passend gewählt. Was hat Etienne de Crécy nicht alles geschaffen in den letzten 20 Jahren – Remixes, Unveröffentlichtes, Essentials (also Hits). Und nach diesen Kriterien sind die fünf CDs auch geordnet – wobei man sich schon fragt, wieso von diesen durchweg tollen Tracks irgendetwas unveröffentlicht geblieben ist.

„Am I Wrong“ vom bahnbrechenden Album „Tempovision“ kennt jedes Kind. Hört man den Song jetzt wieder, erscheint er zwar immer noch catchy, aber gegenüber den anderen fast als einer der schwächeren. Mit diesem Paket hat man die Gelegenheit, für sehr günstiges Geld eventuelle Lücken im Plattenregal, Rubrik „Elektronische Musik“ zu füllen. Ansonsten: All killer, no filler.

Etienne de Crécy: My Contribition To The Global Warming. Pixadelic (Groove Attack). Etienne de Crécy bei MySpace.

Caligola: Back To EarthWille zum Allrounder-Hit-Album

(JA) Mit viel Gedöns wird das Künstlerkollektiv Caligola als neues Projekt der Mando-Diao-Frontmänner Björn Dixgård und Gustaf Norén präsentiert. Im Kleingedruckten und in jedem Interview steht ganz fett, dass die zwei nur einen Teil von Caligola ausmachen. Und mehr noch, Caligola hat nichts mit der schwedischen Indie-Hit-Band zu tun, und eigentlich wollen sich die Mando-Diao-Heroen auf gar keinen Fall in den Vordergrund drängen.

Caligola ist eine ganz eigenständige Sache, die einem Kunstprojekt der mysteriösen älteren Dame Violetta entspringt und schon seit den 70er-Jahren in der Kunstszene agiert. Alle Beteiligten veranstalten gleichberechtigt Musik bzw. Kunst. Besagte Violetta ist die phantomartige Bienenkönigin im Hintergrund. Aha. Werbestrategien hin oder her, das Debütalbum „Back To Earth“ findet dank des musikalischen Namedropings Gehör.

Berechtigt: „Back To Earth“ ist ein vielseitiges und zeitloses Album. Mitunter kommt der Gedanke auf, es handle sich um ein Mixtape. Die fast 50 Minuten haben einen super Flow, aber eben mit unterschiedlichen Interpreten, weshalb es schwer vorstellbar ist, dass nur eine einzige Band dahinter steckt.

Die beiden Mando-Diao-Frontmänner wagen sich in diesem Seitenprojekt in für sie völlig neue Gefilde vor und versammeln die Brüder Salla und Masse Salazar, ihres Zeichens zwei Drittel der Latin Kings, die in ihrer Heimat als „Erfinder des schwedischen Hip-Hop“ bekannt sind, um sich. Die Liste der musikalischen Gäste ist schier endlos und ein Aufgebot der Hitmaschinerie: Nutty Silver (Toaster), Agnes (Popsängerin) Per „Ruskträsk“ Johansson und Emil Jansson (Jazz-Saxofonist bzw. Trompeter), Oskar Bonde (Drummer bei Johnossi), Hansson & Karlsson (60s-Legenden), LaGaylia Frazier (Gospel-Diva). Paul van Dyk wird später die Remixe des Albums abliefern.

Dieses Aufgebot bringt die jeweiligen Stärken ein. Unverkennbar ist der Wille zum Allrounder-Hit-Album für jeden Geschmack. „Back To Earth“ verbreitet gute Laune, ist letztlich aber doch etwas altbacken. Eingängige Melodien und tanzbare Beats sind nett anzuhören, aber es fehlt der zündende Hit, der Moment des Staunens.

Caligola: Back To Earth. We Love Music (Universal). Zur Homepage und zur Facebook-Seite. Free Download bei Soundcloud.

Locas in Love: Nein! Sag Ja zum Neinsagen

(TM) Die neue Platte von Locas in Love beginnt mit einem „Manifest“, sozusagen die bandeigene Version von Melvilles „Bartleby“ und seinem „I prefer not to“: „Ich bin es so leid, dass jeder etwas zu verkaufen hat und noch mehr, dass ich ständig etwas verkaufen muss – das bin gar nicht ich! Das ist nicht, was ich will… Game over.“ Und im Song „Nein“ heißt es dann: „Und müssen wir uns wirklich selber zermahlen, weil wir glauben, wir müssen die Miete bezahlen, und müssen wir uns wirklich selbert zermartern, weil wir glauben, dass das irgendjemand von uns erwartet? – Nein, nein, nein, nein, nein.“

Entstanden ist die Idee zur Platte bei der Arbeit an einer EP zum sogenannten ‚Nein-Tag‘, an dem man in sich gehen, sich die wichtigen Fragen stellen und dem Neinsagen wieder mehr Raum im Leben geben soll. Verwurstet wurden Entwürfe, die es nicht mehr auf die vorangegangene Platte „Lemming“ geschafft haben. Mit Grund: sie sind tatsächlich nicht so stark und mitreißend, wie man es von der Band gewohnt ist. Aber ist es die Stimme von Björn Sonnenberg oder die fast naive Ergänzung durch Stefanie Schrank oder das souveräne Rocken der Gitarren dieser Band, die vom Label gern als deutsche Arcade Fire bezeichnet wird: Jedenfalls fühlt man sich beim Hören einer Locas-in-Love-Platte trotzdem immer, als würde man gerade nach Hause kommen, zu Menschen, die einen verstehen und die die eigenen Gedankengänge nachvollziehen können.

Auch wenn „Nein!“ also alles in allem nicht an die anderen Platten heranreicht, ist sie doch eine willkommene Überraschung, und immerhin der Titelsong ist bester Indie-Rock. Pünktlich zum Record-Store-Day erscheint „Nein!“ übrigens nicht als CD, sondern auf Vinyl und als Download.

Locas in Love: Nein! Staatsakt. Zur Homepage.

Superpunk: A Young Person's Guide To Superpunk„Rock’n’Roll will never dead!“

(TM) Was für ein Jammer, dass diese Band sich auflöst! Für alle, die nach 15 Jahren Superpunk noch nichts von Superpunk gehört haben – und für die, die die allergrößten Hits immer wieder hören wollen –, gibt es zum Abschied den „Young Person’s Guide To Superpunk“. Und was sollen wir sagen: Sprechen Titel wie „Neue Zähne für meinen Bruder und mich“, „Matula, hau mich raus“, „Ein bisschen Seele“, „Baby, ich bin zu alt“, „Das waren Mods“, „In der Bibliothek“ nicht sowieso für sich? Sind das nicht ewige Meilensteine des Rock’n’Roll? Aber sicher.

Und wenn der Tag scheiße zu dir ist und dir sonst keiner Trost spenden kann, dann wende dich an die fünf Jungs von Superpunk. Die hauen dich raus. In diesem Sinne, Jungs – wir gehen auf eure Abschiedskonzerte, weigern uns insgesamt aufzugeben und hoffen, dass wir euch irgendwann wiedersehen, denn: „Rock’n’Roll will never dead“!

„A bisserl was ging immer“ – Abschiedstournee 2012

Juni
Fr. 01.06.12 BERLIN – Festsaal Kreuzberg
Sa. 02.06.12 HAMBURG – Knust (ausverkauft)
So. 03.06.12 HAMBURG – Knust

Mai
Do. 24.05.12 ESSEN – Zeche Carl
Fr. 25.05.12 KÖLN – Gebäude 9
Sa. 26.05.12 FRANKFURT – Zoom
So. 27.05.12 MÜNCHEN – Atomic Cafe
Mo. 28.05.12 STUTTGART – Schocken

Superpunk: A Young Person’s Guide To Superpunk. Tapete (Indigo). Zur Homepage von Superpunk.

 

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