Geschrieben am 16. Februar 2011 von für Musikmag

Esben and The Witch

Unsere Autorin Janine Andert hat ihre Leidenschaft für die britische Band Esben and the Witch entdeckt. Begeistert stellt sie fest, dass der Dark Wave, der neuerdings „Nightmare Pop“ heißt, zurück ist und verzeiht dafür auch großzügig Texte, die höchstwahrscheinlich dem Gruftiemusikgenerator entspringen.

Esben and the Witch: Violet CriesUnter allen Umständen nachts

Benannt nach einem dänischen Märchen entführen uns die drei Brightoner von Esben and the Witch mit ihrem Debütalbum „Violet Cries“ in einen dunklen, mystischen Zauberwald. Narkotisch entfaltet sich die Musik wie Nebel in einer Vollmondnacht. Die Band selbst bezeichnet ihre Musik als „Nightmare Pop“. Ganz unbekannt sind diese Töne jedoch nicht. „Violet Cries“ erinnert angenehm an den Dark Wave der 1980er-Jahre, an Siouxsie & The Banshees’ 1987er-Album „Through The Looking Glass“ – abgespielt mit halber Geschwindigkeit, an die Cocteau Twins. Popaffine Melodien werden mit einem bedrohlich pulsierenden Bass, viel Hall auf der Stimme, geisterhaften Gitarrenklängen und verdammt gedehnten Soundteppichen kombiniert.

Der Einstieg in das Album ist kaum merklich und leise. Post-rockig fließt „Argyra“ wie ein verwunschener Bach unaufdringlich in die Gehörgänge, um dann plötzlich zu einer klaustrophobischen Gewaltigkeit anzuschwellen. Bassistin Rachel Davies tritt mit ihrem Gesang den bösen Geistern besänftigend entgegen. Fast ohne Übergang schließt sich der „Marching Song“ an. Lyrisch ist das schwere Kost. Eine gewisse Gothic-Attitüde in Sachen Elend dieser Welt kann hier nicht verhehlt werden. Dennoch ist das Stück unfassbar gut – diese Stimme, die ausgeklügelte dramatische Steigerung fordern durchaus Gefallen an dem stereotypen, pathetischen Text, der dem Gruftiemusikgenerator entsprungen zu sein scheint. Der sich über das gesamte Album hinziehende inflationäre Gebrauch von Wörtern wie „blackness“, „light“, „darkness“, „strange“ und „lost“ hat etwas von angstgepeinigten Teenagern, die gerade Hermann Hesse für sich entdeckt haben. Sei es drum. Die Musik macht das wieder gut. Und immerhin verzichtet die Band auf das obligatorische Gothic-Outfit. „Chorea“, der sechste Track, ist ein weiterer Höhepunkt. Rachel bricht immer wieder aus der entrückten Gesangsästhetik aus und orientiert sich an der Kraft klassischer weiblicher Stimmen. Pure Energie bestimmt den Herzschlag des Hörers. Immer noch im Downtempo, aber gleichzeitig nach Raserei gierend.

Stückweises Hören empfohlen

Am Ende ist es die Mixtur aus hallendem, zu Langsamkeit gezwungenem Gesang und suggestiv schwellender Dringlichkeit, die den Reiz dieses Debüts ausmacht. Die beste Zeit für „Violet Cries“ ist unter allen Umständen nachts. Absolut ungeeignet ist die Scheibe für Sonnenaufgänge oder einen wunderschönen Frühlingsmorgen. Leider hat sich das stetige An- und Abschwellen düsterer Emotionalität nach etwa der Hälfte des Albums etwas abgenutzt. Auf EP-Länge gewinnen die Songs von Esben and the Witch hingegen an Reiz. Entsprechend empfiehlt sich stückchenweises Hören.

Bevor Daniel, Thomas und Rachel jetzt bei Matador einen vollständigen Langspieler veröffentlichen konnten, fielen sie schon durch eine ins Netz gestellte Gratis-EP auf, die ihnen den Support von Bands wie The XX, The Fiery Furnaces oder Deerhunter einbrachte. 2010 folgte die erste 7″ und der „Marching Song“ als weitere Single. Oliver Sim, Sänger von The XX, feierte Esben and the Witch bereits im vergangenen Jahr als das nächste große Ding. Es bleibt abzuwarten, ob sich das seit 2008 existierende Trio langfristig einen festen Platz im hart umkämpften Musikbusiness ergattern kann. Sicher ist hingegen, dass „Violet Cries“ ein heißer Anwärter auf eine Position in den Bestenlisten des Jahres 2011 ist.

Janina Andert

Esben and The Witch: Violet Cries. Matador/Beggars Group (Indigo).
Die Homepage der Band. Esben and The Witch bei Facebook und auf Myspace.