Lästern mit Freunden
– „Pop ist tot“. Okay. Wie könnte er auch anders, muss er sich doch noch immer an den großen, zumeist leblosen Themen unserer Zeit (Google, Burnout, die CDU) abarbeiten. Zeilen wie „Ich will keinen Mindestlohn, ich will Mindestliebe“ wollen ein erster Schritt aus der Krise sein. Und plötzlich fragt man sich: Wann ist Liebe eigentlich zur Gegenbewegung geworden?
Das neue Album von Die Türen bietet namentlich so etwas wie eine Grundausstattung aus kleinsten Bausteinen, die zusammengefügt und mit Bedeutung gefüllt werden wollen: „ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ“. Dass der Fokus dieser Platte also auf dem Wort liegt, ist bereits mit dem Titel unmissverständlich geklärt. Fast ein bisschen schade. Schließlich geben die zehn Stücke des vierten Albums auch musikalisch Einiges her. Der rote Faden, der sich durch alle Türen-Alben zieht, ist, dass es keinen gibt. Pop, Noise, New Wave, Schlager, Reggae. Und alles noch dichter ineinander verschlungen, noch homogener aufeinander abgestimmt als auf dem 2007 erschienenen Vorgänger „Popo“. Das mag durchaus auch an den neuen Bandmitgliedern liegen. An der Gitarre steht momentan Andreas Spechtl (Ja, Panik) und Chris Imler (u.A. Jens Friebe, Driver & Driver) übernimmt das Schlagzeug. In solch bunter Besetzung verwundert es kaum, dass ein Türen-Song gleichzeitig nach Palais Schaumburg, Blumfeld und den Beatles klingen kann.
„Wir sitzen alle in demselben schwarz-gelben Unterseebot“
Im Zentrum des Alphabet-Albums steht die Meinung. Explizit politisch ist diese Platte deshalb aber noch lange nicht. Politik scheint überhaupt ein Feld zu sein, an das die Band aufgehört hat zu glauben. Stattdessen stellt man dem Parteiensystem ein Konstrukt entgegen, das zwischen all der Kultur- und Kapitalismuskritik erschreckend opportunistisch klingt: Die Forderung nach Liebe, Freiheit und Selbstbestimmung.
Dabei ist das alles gar nicht so bedeutungsschwanger, wie sich jetzt vermuten lässt. Eher ein bisschen wie nebensächliches Lästern mit Freunden. Denn was textlich oft als halbgarer Kalauer beginnt, wird durch Humor und Selbstironie im Handumdrehen zur Parole der Suchmaschinengeneration. „Böse Menschen kaufen keine Lieder, sie laden nur hernieder“, singt Maurice Summen. Ja, vielleicht ist Pop wirklich tot. Dieser Platte aber merkt man das nicht an.
Marcel Wicker
Die Türen: ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ. Staatsakt (Rough Trade). Zum Promovideo und zur Homepage.