Kurt Schwitters ist der Großvater meiner Musik
– Der japanische Komponist verbindet Neue Musik mit experimentellen Klängen. Ronald Klein sprach für CULTurMAG mit Adachi Tomomi über seine Reminiszenz an den Dadaismus, die er am 13.September in der Berliner Villa Elisabeth aufführte.
CULTurMAG: Beim Konzert werden europäische und japanische Dadaisten vertont. Was ist denn der Unterschied zwischen Dada auf den beiden Kontinenten?
Adachi Tomomi: Der ist im Prinzip gar nicht so groß. Die Japaner gingen vielleicht etwas ernsthafter an die Sache, arbeiteten mit Manifesten und theoretischen Schriften. Trotzdem wurde die Bewegung in Japan kaum wahrgenommen und auch schnell wieder vergessen. Es gab keine direkten Nachfolger, die versuchten, sich darauf zu berufen.
Aber es gab GUTAI, die ähnlich wie in Europa in den 60ern Fluxus sich darauf beriefen?
Ich bin mir gar nicht sicher, ob GUTAI eine Verbindung zu Dada besitzen. Die Protagonisten haben eher den Hintergrund der Art informelle. Ich denke, anders als in Europa, gab es keinen Anschluss in den 60ern. all die Wurzeln wurden vorher gekappt, was mit der Shōwa-Ära zu tun hatte, in der progressive Kunst sich nicht wirklich entfalten konnte. Daher nimmt japanischer Dadaismus in der Kunst- und Kulturgeschichte nur eine marginale Position ein. Ähnlich wie Dadaismus in Brasilien und Afrika, was mich übrigens auch sehr interessiert.
Merzbow benannten sich immerhin nach dem Schwitters‘ „Merzbau“. Hält das Interesse japanischer Künstler an?
Das kann nur verneint werden.
Mit Merzbow eint Dich aber die Klangästhetik an der Schnittstelle zwischen Noise und Neuer Musik.
Ja und nein. Ich würde dahingehend einen Einwand erheben, dass ich den Begriff Noise nicht mag. Mir gefällt die Unterscheidung zwischen “Klang” und “Krach” nicht. Wenn Du Noise durch “unabhängige experimentelle Musik” ersetzt, trifft die Beschreibung mit Sicherheit zu.
Deine Instrumente baust Du ausschließlich selbst. Steckt dahinter eine bestimmte künstlerische Idee?
Vorwiegend eine pragmatische. Meine Praxis entstammt der Punk-Bewegung, das typische Do-It-Yourself-Prinzip. Traditionelle Instrumente zu benutzen interessiert mich überhaupt nicht. Meine Instrumente entwickele ich im Trial-and-Error-Verfahren. Sie sind somit auch frei von kulturellen Konnotationen.
Du hast auch ein Projekt zu Schwitters gemacht. Wirkt seine Poesie auch wie reiner Klang?
Absolut! Schwitters ist der Großvater meiner Musik, denn die Position des Vaters ist bereits mit John Cage besetzt.
Aber Du sprichst kein Deutsch?
Nein. (Original in Deutsch)
Was verbindest Du denn mit Deutschland im generellen?
Kartoffeln und Würstchen. Kleiner Scherz. Vor allem die Epoche der Weimarer Republik. Es ist interessant wie zu deren Ende mit Künstlern umgegangen wurde, das sagt viel über eine aufkommende Diktatur. Die geschichtliche Atmosphäre ist ohnehin sehr inspirierend in Berlin. Leider war ich schon fünf Jahre nicht mehr in der Stadt.
Was ist denn Dein Lieblingsort in der Stadt?
Oh, der hat mit Dadaismus nun wirklich gar nichts zu tun. Glaub es oder nicht: Das ist der Zoo.
Interview und Übersetzung: Ronald Klein
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