Geschrieben am 21. November 2012 von für Musikmag

Daniel Miller und Fraktus: Music For Parties mit Studio Braun

Fraktus: Millenium EditionAuch Daniel Miller gehört zu den geistigen Vätern von Fraktus

– Sorgfältig vorbereitet hat das Kollektiv des Studio Braun die Inszenierung der Elektro-Pioniere Fraktus, die 2012 ihr großes Comeback feiern. Mit Kino-Film, Longplayer und T-Shirt-Verkauf. Thomas Backs stellt aus diesem Anlass die Verbindung zu Daniel Miller her, dem Gründer des Labels Mute Records und Entdecker von Depeche Mode.

Wetten, dass Daniel Miller diese Fraktus-Idee richtig klasse findet? Und wetten auch, dass der Mute-Gründer sich den Film dazu auf jeden Fall ansehen wird? Der Grund für diese These: Fraktus könnten genauso gut auch den Namen Silicon Teens tragen. 1980, also vor Depeche Mode, Yazoo, Erasure und allen Mega-Sellern seines Labels veröffentlichte Herr Miller einen Longplayer dieser Combo. Titel: „Music For Parties“. Der Clou: Die auf dem Cover genannten Band-Mitglieder Darryl, Jacki, Paul und Diane gab es nie, Miller selbst nahm das Album gemeinsam mit Sound-Ingenieur Eric Radcliffe auf und strickte eine Legende.

„Für mich waren Fraktus immer die Größten, muss ich sagen. Wir haben die sehr, sehr gut gefunden. Die Reduktion auf das Wesentliche, das haben die so gut gemacht. So haben wir selber das nie hingekriegt.“

O-Ton Stefan Remmler (Trio) im Film, die Mockumentary gehört zu den Kino-Highlights des Jahres 2012. Gleichzeitig erscheinen zur „Comeback-Tour“ von Fraktusdie gesammelten, wegweisenden Tracks der Combo, kompiliert auf einer Best of namens „Millennium Edition“. Das alles sieht ein wenig nach einer teutonischen Variante der legendären Spinal Tap aus. Ein absolutes Muss für Liebhaber von Techno und Elektro ist es in jedem Fall.

Ein großer Spaß, diese Fraktus-Nummer. Rocko Schamoni und seine Mitstreiter vom Studio Braun werden eines sicher nicht verleugnen: Auch Daniel Miller muss genannt werden, wenn es um die geistigen Väter und Erfinder der deutschen Elektro-Helden geht. Ehrenmitglied von Depeche Mode, den Superstars des Synthie-Pop, ist Miller sowieso schon. Schließlich ebnete der Gründer des Labels Mute Records den Weg für Gahan, Gore und Co. und leistete so mit vielen anderen Künstlern wie Kraftwerk, Soft Cell, Gary Numan, Fad Gadget und DAF historische Dienste für die elektronische Musik der Gegenwart. 1980 nahm Miller DM per Handschlag unter Vertrag und sollte schnell erkennen, dass sein Traum von den Silicon Teens wahr geworden war. Music For Parties, das einzige Album dieser rein fiktiven Synthie-Band, war im Jahr 1980 bei Mute erschienen, Rock`n`Roll-Klassiker der 1950er- und 1960er-Jahre wie „Sweet Little Sixteen“ von Chuck Berry oder „You Really Got Me“ von den Kinks waren hier in Synthesizer-Versionen zu hören. Dazwischen erklingen minimalistische Instrumental-Stücke wie „T.V. Playtime“ und „State Of Shock (Part Two)“, musikalisch bereits sehr eng an frühen Depeche Mode-Tracks wie „Ice Machine“ und „Puppets“.

Silicon Teens: Music For PartiesIm Team: Eric Radcliffe

Die auf dem Cover genannten Band-Mitglieder Darryl, Jacki, Paul und Diane gab es nie. Daniel Miller nahm das Album gemeinsam mit Eric Radcliffe auf, der später an vielen Mute-Werken mitwirkte und mit Yazoos „Upstairs At Eric`s“ (1982) sogar in einem Album-Titel verewigt wurde. Unter dem Pseudonym „Larry Least“ ließ sich Daniel Miller auf dem Cover von „Music For Parties“ auch als Produzent und Songwriter verewigen. Wie der Label-Boss Jahre später Steve Malins für die offizielle Depeche Mode-Biografie erzählte, hatte er „eine Vision von einer viel jüngeren Band aus der elektronischen Szene. Das war im Grunde auch das Konzept hinter meiner imaginären Gruppe Silicon Teens. […] Wir stellten sie als erste rein elektronische Teenager-Band der Welt dar. Es brauchte nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, dass diese Musiker als erste Instrumente Synthesizer statt Gitarren spielten. So sah ich damals auch Depeche Mode, obwohl mir später klar wurde, dass das eigentlich nicht stimmte, denn sie konnten ja durchaus auch Gitarre spielen.“

Ob Fraktus das auch können? Wir dürfen gespannt sein. Einen entscheidenden Unterschied zu den Silicon Teens gibt es bereits: Fraktus wagen sich unter das Volk, treten live auf. Vielleicht dreht die Comeback-Tour noch ein paar Extra-Runden. Warum auch nicht?

Thomas Backs

Silicon Teens: Music For Parties. Mute; Fraktus: Millennium Edition. Staatsakt (Rough Trade). Zur Website von Fraktus.

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